Vielleicht hat jemand, als er diesen Titel gelesen hat, sich
gedacht, es müßte eigentlich heißen: Toleranz oder Wahrheit.
Weil man sagt, entweder ist jemand tolerant, oder aber, er behauptet,
die Wahrheit zu kennen oder zu haben und ist deshalb intolerant.
Sind das nicht 2 Dinge, die sich ausschließen? Entweder tolerant
oder Wahrheit. Es wird heute abend um die Frage gehen, inwieweit
hängen diese beiden Begriffe zusammen. Ist es gerechtfertigt,
von einem "und" zu sprechen, oder muß man doch lieber eher
besser von einem "oder" sprechen?
Pluralistische Gesellschaft, darüber wurde schon etwas
gesagt zu Eingang, heißt, dass verschiedene Plurale, viele Möglichkeiten
des Lebens, der Lebensformen, der Lebenswirklichkeit gelebt werden
können. Und deshalb ist eine pluralistische Gesellschaft auch
kritisch, man könnte auch sagen allergisch gegen Wahrheitsansprüche
aller Art. Es geht in einer pluralistischen Gesellschaft offensichtlich
darum, dass jeder nach seiner Fasson selig werden kann.
Und diese Aussage einer pluralistischen Gesellschaft ist natürlich
für den christlichen Glauben in einer ganz besonderen Weise bedrohlich.
Denn der christliche Glaube beruht ganz wesentlich auf Wahrheitsaussagen,
und zwar auf 2 ganz verschiedenen Gruppen von Wahrheitsaussagen.
Mit der einen Gruppe hatten wir uns heute nachmittag etwas beschäftigt.
Das ist sozusagen die Gruppe der Tatsachenwahrheit, dass
man sagt, das Grab war am 3. Tage leer und Jesus Christus ist
von den Toten auferstanden. Gott hat ihn auferweckt, des sind
wir Zeugen. So sagen es die Apostel. Das ist eine historische
Wahrheit.
Und etwa das leere Grab, wer damals dagewesen ist, der hätte
das sehen können, hätte das bestätigen können, oder hätte sagen
können, nein es ist nicht leer. Es ist eine Tatsachenwahrheit.
Davon lebt der Christliche Glaube. Wenn Christus nicht auferstanden
ist, dann ist euer Glaube eine Illusion, dann seid ihr noch in
euren Sünden. So Paulus in 1.Korinther 15.
Der christliche Glaube lebt aber von mehr, als von historischen
Tatsachenaussagen, er lebt auch von personaler Wahrheit.
Und zwar gehört ganz wesentlich zum christlichen Glauben die Aussage
von Jesus Christus: Ich bin die Wahrheit. Eine geradezu
unglaubliche Selbstbehauptung. Nicht zu sagen, ich kenne die Wahrheit
oder ich zeige euch den Weg zur Wahrheit, sondern: Ich bin die
Wahrheit. Deshalb ist der Anspruch des Pluralismus, dass jeder
nach seiner Fasson leben soll, in ganz besonderer Weise eine Herausforderung
für Christen, denn Christen gründen ihren Glauben auf Warheitsansprüchen.
Wahrheitsanspruch historisch, sozusagen das Objektive, aber auch
Wahrheitsanspruch personal, von der Person, die der Mittelpunkt
ist des christlichen Glaubens von Jesus Christus. Ich bin die
Wahrheit. Deshalb müssen sich Christen auch mit der Frage der
Wahrheit in einer ganz besonderen Weise beschäftigen und natürlich
mit der Frage der Toleranz. Ich möchte das Thema heute abend in
3 Punkten darlegen und zwar zunächst
- 1. Wahrheit und Verlässlichkeit
-
- 2. Wahrheit und Toleranz und
-
- 3. Wahrheit und Gewissheit
-
In diesen 3 Punkten möchte ich das Thema behandeln. Also
1. Wahrheit und Verläßlichkeit
Was meinen wir, wenn wir von Wahrheit sprechen? Der Gießener
Philosoph Odo Marquardt hat gesagt, man soll eigentlich nur
Referate zu Themen zusagen, mit deren Begriffen sich das historische
Wörterbuch der Philosophie schon beschäftigt hat. Das historische
Wörterbuch der Philosophie ist seit 30 Jahren zugange und sie sind
immerhin schon beim Buchstaben V gelandet. Man kann über Glaube,
Liebe, Hoffnung sprechen, leider noch nicht über Wahrheit, weil
Wahrheit kommt ja bekanntlich nach V, und da gibt es noch keinen
Artikel. Was macht man jetzt als Referent, man hat also ein echtes
Problem, man braucht ja zunächst mal eine gute Definition. Ich habe
das bei einem Philosophiekongress gefunden, da hat ein Philosoph
Wahrheit folgendermaßen definiert, das war sogar der Ausgangspunkt
einer Diskussion von Philosophen zur Frage: Wahrheitsansprüche in
den Religionen heute. Und diese Definition lautet:
Die Frage nach der Wahrheit entspringt einem ursprüchlichen Interesse
an verlässlicher Lebensorientierung. Sie ist eine Grundfrage des
menschlichen Lebens. Da sie alle Lebensbezüge durchdringt, sind
in ihr Erkennen und Handel, Theorie und Praxis noch unbeschieden.
Aus diesem Grunde ist die Frage nach der Wahrheit auch nicht nicht
identisch mit der Pilatusfrage: Was ist Wahrheit? Denn diese setzt
vielmehr bereits eine reflektierte und skeptische Haltung voraus.
Was ich hieran interessant finde ist die Formulierung: Die Frage
nach der Wahrheit ist die Frage nach verläßlicher Lebensorientierung.
Und das ist etwas, was jeder Mensch braucht. Jeder Mensch braucht
etwas, worauf er sich verlassen kann, Lebensorientierung.
Wir haben übrigens im Deutschen einen sehr schönen Begriff: Ich
verlasse mich, also ich verlasse mich, ich muß mich auf jemand
anderen, auf etwas anderes verlassen. Und wir brauchen Verläßliches.
Etwas Festes braucht der Mensch. Wahr ist das, was gilt, was verläßlich
ist, deshalb kann man ebenso korrekt von einem wahren Freund wie
von einer wahren Aussage wie von einer wahren Begebenheit sprechen.
Also verläßlich, wir können sprechen, wir sprechen auch davon.
Es gibt einen wahren Freund. Das ist jemand, auf den man sich
verlassen kann. Eine wahre Aussage, sozusagen die Aussage, die
sich mit der Wirklichkeit deckt, und auch eine wahre Begebenheit,
dass uns einer etwas erzählt, eine Geschichte, und diese Geschichte
hat wirklich stattgefunden. Diese Definition halte ich für grundlegend
und möchte sie deshalb zum Punkt 1 ernennen. Wahrheit ist Verläßlichkeit.
Wer nach Wahrheit fragt, fragt nach der Verläßlichkeit, fragt
also nach seiner Lebensorientierung.
Der kritische Punkt in der Frage nach der Wahrheit ist die Frage
nach der Skepsis. Und ich möchte deshalb einen ganz kurzen
Exkurs hier an dieser Stelle einfügen über dieses Verhältnis von
Vertrauen auf die Verläßlichkeit, auf Lebensorientierung, was
für uns nötig ist, und Skepsis demgegenüber. Ich beginne mit dem
Begriff der Skepsis. Zunächst mal ist es so, dass landläufig die
meisten Menschen denken, Skeptiker das ist also das Gegenteil
von einem Glaubenden. Genau wie man sagt, Toleranz und Wahrheit,
müßte eigentlich heißen, Toleranz oder Wahrheit. So sagen viele
Glauben und Skepsis müßte eigentlich heißen, Glauben oder Skepsis.
Auf der einen Seite gibt es sozusagen die Glaubenden, vielleicht
die Religiösen, mehr subjektiv veranlagten, und auf der anderen
Seite gibt es so mehr die objektiven, die Skeptiker, die vielleicht
mehr wissenschaftlich veranlagt sind. Wenn wir uns aber mit diesen
beiden Begriffen näher beschäftigen, dann stellen wir fest, dass
wir beides in uns haben, und dass wir auch beides brauchen. Skepsis
fand ich mal in einem griechischen Wörterbuch, heißt, etwas
prüfend aus der Distanz betrachten. Also ein Skeptiker ist
jemand, der etwas prüfend aus der Distanz betrachtet. Und das
ist auch nötig. Wenn alles wahr wäre, was wir hören, sehen oder
lesen, dann müßten wir nicht skeptisch sein. Es ist aber nicht
alles wahr, was wir hören, sehen oder lesen. Deshalb ist Skepsis
angebracht.
Der Kabaretist Dieter Hildebrand sagte einmal: Wer sagt,
ich glaube nur, was ich sehe, der glaubt inzwischen alles, weil
man inzwischen alles sehen kann. Man kann alles darstellen. Also
wer Forest Gump etwa gesehen hat, diesen Film, der weiß, der Satz,
ein Bild sagt mehr als 1000 Worte, der stimmt nicht, denn die
Bilder, die man da gesehen hat, die waren täuschend echt, aber
sie waren eben nur täuschend echt. Sie stimmten nicht. Es gibt
Täuschung, es gibt Irrtum und es gibt Lüge. Deshalb muß man skeptisch
sein. Man kann aber nicht nur von Skepsis leben.
Es gibt Familiensprüche, ich nehme an, das kennen sie
auch, Es gibt Sätze, die in ihrer Familie ab und zu mal gesprochen
worden sind und die haben sich in ihnen festgesetzt und haben
ihr Lebensbild mitgeprägt. Als ich darüber mal nachgedacht habe,
bei uns zu Hause, da ist mir mein Vater eingefallen, der immer,
wenn ein Politiker im Fernsehen sprach, sagte, das ist alles gelogen.
Und wenn meine Mutter etwas erzählt hat, was die Nachbarin gesagt
hat, hat er ähnliches gesagt. Alles gelogen. Wenn man das oft
genug hört, ist das eine sehr gute Erziehung zur Skepsis. Ich
hoffe, sie haben positive Familiensprüche zu Hause, du schaffst
das schon. Es gibt auch negative, aus dir wird nie etwas oder,
was sollen die Leute von uns denken. Also es gibt ne ganze Reihe
Familiensprüche, die uns geprägt haben. Nur, alles gelogen, ist
rein logisch ein gewisses Problem, weil dann fragt man sich immer,
ist der Satz auch gelogen. Es gibt echte grüblerische Anwandlungen,
wenn man sich mit diesem Satz, dass alles gelogen sei, auseinandersetzt.
Der Gießener Philosoph Odo Marquardt, den ich schon einmal
mit einem Spruch zitiert habe, möchte ich nochmal zitieren.
Der hat gesagt, so wie es in der Physik den Satz von der Erhaltung
der Energie gibt, gibt es beim Menschen den Satz von der Erhaltung
der Naivität. Er wollte damit ausdrücken: Keiner kann nur
skeptisch sein, sondern wir haben alle einen Naivitätspegel oder
positiver gesprochen einen Glaubenspegel. Wir vertrauen alle.
Wir können nicht nur sagen, wir sind Skeptiker. Wer sagt, ich
bin ein Skeptiker, der ist auf einer anderen Seite ausgesprochen
naiv, weil er anderen Autoritäten, sei es der Wissenschaft oder
wem auch immer, glaubt. Wir müssen sozusagen unseren Naivitätspegel
nach Odo Marquardt immer in einer Balance halten. Denn von Skepsis
allein und mit Skepsis kann niemand leben. Das Andere ist für
unser Leben viel wichtiger nämlich die Frage des Glaubens und
Vertrauens. Ich möchte jetzt noch eine Geschichte erzählen, die
sie vielleicht kennen, aber die verdeutlicht ein Mißverständnis.
Ich las einmal, dass in einer Bibelstunde jemand ein Stück aus
dem Alten Testament vorlaß: Eva war die Mutter des Menschengeschlechtes,
dann hat er seinen Text umgedreht, sie war 300 Ellen lang, 150
Ellen hoch und 100 Ellen breit, innen und außen war sie mit Pech
verpicht. Er hatte das Problem, dass er die Stelle auslegen sollte
und nicht gemerkt, dass er beim Umblättern in die Geschichte von
der Arche Noah geraten war. Und hat gesagt, dass Eva 300 Ellen
lang, 150 Ellen hoch und 100 Ellen breit ist. Das können wir verstehen,
sie war ja die Mutter des Menschengeschlechts. Dass sie aber innen
und außen mit Pech verpicht war, das können wir nicht verstehen,
das müssen wir einfach glauben.
Es gibt nun viele Menschen, die meinen, das sei der christliche
Glaubensbegriff. Da kann ich beruhigen, das ist er nicht. Glauben,
kann man z.B. den Deutschen klarmachen, hängt mit geloben zusammen,
angeloben ist eine sehr enge personale Beziehung. Glauben hat
also immer etwas zu tun mit einer Person. Im Deutschen sprechen
wir davon, dass wir jemandem etwas glauben. Zum Glauben gehört
nicht nur ein Inhalt, was wir glauben, sondern auch, wem wir glauben.
Und natürlich auch, wie gut der Glaube begründet ist.
Wir sind z.B. heute abend hier alle eine Gemeinschaft von Glaubenden.
Wir haben alle geglaubt, dass dieser Abend um 20 Uhr stattfinden
würde. Es gab dafür vorher keinen Beweis, es gibt auch anschließend
keinen Beweis, es sei denn, man würde sich auf eine Frage des
Beweises einigen, was man als Beweis anerkennen will. Aber wir
haben geglaubt und vertraut, dass jemand uns sagt, es findet statt.
Oder wir haben einen Zettel gelesen, ein grauer Zettel, da stand
drin 20 Uhr. Und was auf grauen Zetteln steht, glauben wir grundsätzlich.
Also wir haben immer eine bestimmtes Maß an Glauben nötig,
um überhaupt leben zu können. Es ist also nicht nur so, dass
wir Skepsis brauchen, sondern wir brauchen viel mehr Glauben,
und das ist etwas, was unser Leben ausmacht.
Im Lateinischen, das Wort für Glauben heißt übrigens credere,
da hängt das Wort Kredit mit zusammen. Credere ist zusammengesetzt
aus cor und dare und heißt, das Herz geben. Das meint also Glauben
eigentlich. Glauben und Vertrauen ist also eine Weise des Lebens,
was grundsätzlich ist für uns, und zwar nicht nur als Kind. Viele
werden sagen, das ist klar, ein Kleinkind muß natürlich vertrauen,
seinen Eltern, später vielleicht Freunden, Lehrern, sondern wir
bleiben unser ganzes Leben lang Vertrauende. Es ist sogar so,
wir werden später Vertrauende, Glaubende von Institutionen. Wir
glauben der Institution des Arztes. Wir glauben der Institution
des Piloten, des Mechanikers, des Kochs. Wir können nicht immer
alle Mahlzeiten überprüfen, chemisch überprüfen, bevor wir sie
zu uns nehmen. Wir sind Glaubende. Dieses Wort im Deutschen: Ich
verlasse mich, das ist etwas ganz Wesentliches, was unser Leben
auszeichnet. Wir müssen uns beständig verlassen. Wir müssen vertrauen.
Das heißt also, in unserem Leben hängt beides zusammen, Glaube
und Skepsis, und es kommt auf die Mischung an von beidem. Nur
Skepsis kann man nicht leben, und nur Glauben in diesem Sinne
des Vertrauens hat ebenfalls Probleme, weil es eben Irrtum, Lüge
und Täuschung gibt.
Wahrheit, also wir wollen ja dem vertrauen, was wirklich verläßlich
ist, was Orientierung gibt. Wahrheit ist die Frage nach der Verläßlichkeit.
Wenn es etwa im Alten Testament von Gott heißt: Gott ist wahr,
so ist das oft übersetzt. Da steht dann im Hebräischen das Wort
emet. Und emet heißt eigentlich: Er ist zuverlässig (.........)
gleich nahe, wenn wir von bewährt sprechen. Wahr und bewährt.
Ein Mensch hat sich bewährt. Man kann sich auf ihn verlassen.
Wir brauchen also Verläßlichkeiten. Wie ist es nun mit der Wahrheit
? Die Postmoderne, das ist ja nun die gängige Philosophie, die
zum Pluralismus paßt, die also sagt: Es gibt gar keine Wahrheit,
sondern jeder hat seine eigene, behauptet ja eben, es gibt nicht
nur die eine Wahrheit, sondern es gibt viele Wahrheiten. Und ich
möchte an 4 Beispielen ganz kurz zeigen, daß dieser Satz nicht
stimmt.
In allen wichtigen Fragen unseres Lebens gehen wir davon aus,
dass es Wahrheit gibt. Ich nenne ihnen 4 Beispiele: Beispiel
1 in der Wissenschaft. Die Wissenschaft geht davon aus,
dass es Wahrheit gibt. In der Medizin, dass es Medizin
gibt, die heilt und hilft und andere, die es eben nicht tut. Bei
den Ingenieuren, dass man eben nach bestimmten Mitteln
Brücken bauen kann oder Häuser bauen kann, die halten, andere
halten nicht. Oder auch, ein Kriminalkomissar geht auch
nach bestimmten Regeln davon aus, dass es eine Wahrheit gibt,
wie der Täter gefunden werden kann.
Vor einigen Jahren hat ein amerikanischer Physiker Alan Sokal
die Welt in Amerika, aber dann auch in Europa dadurch in Atem
gehalten, dass er zunächst einen Aufsatz geschrieben hat, der
veröffentlicht wurde, wo er dargestellt hat: Alles, was in der
Physik als Naturgesetze dargestellt wird, die physikalischen Gesetze
sind gar keine physikalischen Gesetze, die was mit der Wirklichkeit
zu tun haben, sondern das sind einfach interessegeleitete Aussagen
bestimmter gesellschaftlicher Gruppen. Das wurde abgedruckt, wurde
diskutiert. Dann hat Sokal einen neuen Artikel geschrieben und
gesagt, April, April, das stimmt natürlich nicht, sondern die
Gesetze sind deshalb Gesetze, weil sie mit der Wirklichkeit übereinstimmen.
Eine Diskussion, die auch in Deutschland und Europa geführt worden
ist. In Frankreich war sein Buch später wochenlang auf Platz 1
der Bestsellerliste. Und neuerdings seit wenigen Tagen gibt es
eine neue Diskussion von Physikern, da haben 2 Brüder einen Aufsatz
geschrieben, durch den sie einen Doktortitel bekommen haben. Es
hat sich herausgestellt, es war eigentlich alles ziemlich unsinnig,
was sie geschrieben haben. Gibt es Wahrheit oder gibt es keine.
Die Wissenschaft geht davon aus und muß davon ausgehen, dass es
Wahrheit gibt. Wahrheit eben bei Ingenieuren und bei anderen.
2. Bereich: Die Sprache.
Unsere Sprache geht davon aus, dass es Wahrheit gibt. Unsere
Worte haben in der Regel einen Wahrheitswert. Wir sprechen miteinander,
weil wir glauben, dass wir bei dem Gegenstand, über den wir sprechen,
der Wahrheit näher kommen, egal wie wichtig oder unwichtig dieser
Gegenstand ist. Wenn wir z.B. sagen, ein Beispiel das Robert
Spähmann, ein Münchner Philosoph in dem Zusammenhang nimmt,
der Satz: Cäsar wurde am 15.März 44 von Brutus ermordet, der ist
entweder wahr oder falsch. Das weiß eigentlich jeder, der den
Satz liest. Er wurde nicht ein bisschen ermordet, wurde nicht
am 15. oder 16. , wurde nicht von Brutus oder einem anderen, also
das ist ein Satz, der ist entweder wahr oder falsch. Und in dem
Zusammenhang schreibt er, dass wir, wenn wir falsche Aussagen
machen, also wenn wir Sätze für wahr erklären, die eigentlich
falsch sind, dann können wir das nur machen, indem wir immer den
Zusammenhang in Erinnerung behalten, bei dem wir den Satz zum
letzten Mal für wahr aufgestellt haben. Wenn wir aber einen wahren
Satz brauchen, einen wahren Satz formulieren, dann brauchen wir
weder ein gutes Gedächtnis, wann haben wir den Satz zum letzten
Mal für wahr verkauft und brauchen auch keine Geistesgegenwart,
weil alle wahren Sätze, die wir sprechen, sind mit allen anderen
wahren Sätzen kompatibel. Nur die falschen Sätze, die wir
sagen, sind nicht mit allen anderen Sätzen kompatibel. Deshalb
muß man immer aufpassen, wann hat man diesen Satz zum letzten
mal behauptet für wahr. Eine interessante Welt, sagt Spähmann,
in der wir leben. Alle wahren Sätze, die wir sagen, sind mit allen
anderen wahren Sätzen kompatibel. Wahrheit und Sprache. Er war
absolut überzeugt, dass alles relativ ist.
3. Wahrheit und Geschichte
Es ist kein Zufall, dass Spähmann ein Beispiel aus der Geschichte
genommen hat mit Brutus und Cäsar, weil, wie ich eben schonmal
sagte, wenn wir eine Geschichte hören, sehen oder lesen, stellen
wir uns immer wieder die Frage: Ist das wahr oder ist es nicht
wahr ? Das hören wir automatisch mit und das ist eigentlich sehr
interessant, dass das Evangelium eben eine Erzählung von Geschichten
ist. Oder Wahrheit und Alltag. Keiner von uns geht davon aus,
dass wir irregeführt werden, bewußt irregeführt werden. Wenn wir
fragen stellen, wo ist der Bahnhof, natürlich kanns mal sein,
wir werden in die falsche Richtung geschickt, oder wenn wir jemand
fragen nach dem Wetter draußen, nach seinem Geburtstag. Wir gehen
immer davon aus, es gibt eine Antwort, die ist auch deckungsgleich
mit der Wirklichkeit. Wir sagen nicht, dass es gar keine Wahrheitsmöglichkeit
gibt, doch die gibt es. Oder stellen sie sich vor, sie bekommen
von der Bank einen Bankauszug geschickt. Da steht drauf für ihr
Konto, sie haben 2000 Euro Minus. Jetzt sind sie der Meinung sie
haben 2000 Euro Plus. Das sagen sie doch auch nicht postmodern:
Die Bank hat ihre Wahrheit, ich habe meine Wahrheit, und jeder
muß damit leben mit seiner Wahrheit. Sondern dann im Gegenteil.
Dann gehen sie zur Bank und hätten das gerne geklärt, wer nun
Recht hat. Oder auch bei Prüfungen, wenn sie den Eindruck haben,
sie sind ungerechtfertigt, ungerecht behandelt worden. Bei Dingen,
die für uns von Bedeutung sind, vor allen Dingen, wenn sie für
uns nachteilig wären wie diese Bankauszüge, wollen wir schon ganz
gerne wissen, wie die Wahrheit ist, vor allen Dingen weil wir
wissen: Es gibt eine. Es gibt eine Wahrheit. Also man kann so
sagen: Wir gehen eigentlich in allen wichtigen Fragen des Lebens
davon aus, dass es Warheit gibt. Jeder von uns tut das.
Dass viele in der Gottesfrage nicht davon ausgehen, dass es eine
Wahrheit gibt, oder in vielen ethischen Fragen, das hängt damit
zusammen, dass viele Menschen glauben, die Gottesfrage sei völlig
unerheblich, irrelevant. Dann natürlich kann man sagen, jeder
nach seiner Fasson. Aber wir gehen in den Dingen, die für uns
von Bedeutung sind, davon aus, dass es eine Wahrheit gibt, sei
es in der Wissenschaft, in der Sprache, in der Geschichte oder
auch in unserem Alltag. Sogar in der Ethik sagen wir nicht, es
ist alles gleichgültig, was ja in Deutschland ein schönes Wortspiel
ist: gleich gültig, hier mal (prima) auseinandergeschrieben ist
nicht ganz so schön, als wenn man es zusammenschreibt. Es ist
alles gleichgültig. Aber wir sagen nicht es ist alles gleichgültig:
Kinderliebe oder Kindermord. Das wird wohl keiner sagen. Es ist
völlig gleichgültig, ob man dieser Welt als Mutter Theresa oder
Adolf Hitler entgegentritt. Das wird keiner sagen. Selbst da sagen
wir, es ist nicht alles gleichgültig in dieser Welt. Was bedeutet
das, und damit komme ich zum Punkt
2. Die Frage der Toleranz
Also Punkt 1: Wahrheit und Verläßlichkeit: Wahrheit heißt Lebensorientierung
und Verläßlichkeit. Die brauchen wir auch, und die haben wir auch.
Vielleicht haben wir nicht darüber nachgedacht, was ist eigentlich
das, worauf wir uns gründen. Was sind die Orientierungen, nach
denen wir leben ? Aber wir haben sie, weil wir ohne gar nicht
leben können. Wie ist es mit der Toleranz?
2. Was ist Toleranz ? Das historische Wörterbuch der Philosophie
ist schon beim Buchstaben V, d.h. sie haben schon eine Definition
für Toleranz. Ich möchte sie jetzt trotzdem nicht vorlesen. Die
Toleranzdefinition geht ungefähr so: Toleranz heißt das Erdulden
von anderen Meinungen. Dulden, Hinnehmen, Respektieren. Toleranz
kommt aus dem Lateinischen "tolerare" und heißt eben erdulden.
Das heißt, es hat jemand eine Meinung und erduldet eine andere.
Man könnte auch sage: Wer keine Meinung hat, der kann gar nicht
tolerant sein, weil das (fällt ja dann) aus. Tolerant kann
nur der sein, der eine Meinung hat und eine andere erdulden muß.
Wer keine hat, muß auch keine erdulden. Man kann sich jetzt fragen:
warum braucht man überhaupt Toleranz ? Ja man braucht Toleranz,
weil wir leider oder glücklicherweise nicht alle immer einer Meinung
sind. Wenn wir alle immer einer Meinung wären, müßte man überhaupt
nichts erdulden, denn dann wären ja alle immer einer Meinung.
Da es aber Unterschiede gibt, muß man jetzt überlegen, wie man
mit anderen Meinungen und anderen Lebensweisen umgehen will. Ich
hatte eben gesagt, dass Familiensprüche unser Leben prägen. Also
viele sagen, was wir zu Hause hören, hat unser ganzes Leben geprägt.
Also die Mutter sagt, das tut man nicht, der Opa sagt´s auch,
da weiß man, dass tut man nicht. Nach diesen Sprüchen hat man
sein Leben geprägt. Und dann kommt man in die Schule oder an die
Universität und stellt fest, da trifft man auf Leute, die haben
zu Hause offensichtlich ganz andere Familiensprüche gehört, die
reagieren ganz anders als ich auf die gleiche Situation. Und dann
steht man vor der Frage, wie man damit umgehen will sozusagen
mit dem anderen. Diktaturen sind intolerant, weil die auch nur
eine Meinung gelten lassen wollen. Also Toleranz ist nur dann,
wenn man mit verschiedenen Meinungen leben will. Wenn man das
nicht will oder nicht muß, braucht man auch nicht tolerant zu
sein.
Sagen wir mal bei Friedrich dem Großen wird immer gesagt,
der war ein sehr toleranter Mann, weil der diesen berühmten Satz
sagte: In meinem Land kann jeder nach seiner Fasson selig werden.
Das Problem bei ihm ist. Er hatte überhaupt keine Meinung in der
religiösen Frage. Von daher mußte er auch keine andere tolerieren.
Also eigentlich nach der Definition fällt er als toleranter Mensch
aus. Tolerant ist nämlich nur der, der eine andere Meinung erduldet,
d.h. da steckt auch das Motto des Leidens mit darunter. Man leidet
darunter, dass man verschiedener Meinung ist. Aber man duldet
die andere. Nun gibt es Grenzen der Toleranz ? Selbstverständlich,
z.B. alle Wissensfragen haben eine Toleranzgrenze. Also wenn jemand
sagt, ich möchte gerne in die Vereinigten Staaten fliegen und
kauft sich ein Ticket nach New York, kann ich ihn natürlich dahinfliegen
lassen, weil, wenn er ankommt, wird er schon merken, dass er nicht
in der Hauptstadt der Vereinigten Staaten gelandet ist. Ich bin
da tolerant und lasse ihn also dahinfliegen. Oder aber ich könnte
ihm sage, also wenn du wirklich in die Hauptstadt der Vereinigten
Staaten willst, würde ich dir empfehlen, ein Ticket nach Washington
zu kaufen, denn dann wärst du genau da, wo du hinwillst.
Was heißt Toleranz ? In dem Zusammenhang hat Goethe gesagt,
Toleranz ist Menschenverachtung. Weil einen in seinem Irrtum
belassen ist Verachtung. Alle Wahrheitsaussagen sind insofern
also intolerant. Also wer sagt 2 + 3 = 7 und will auf dieser Basis
Häuser und Brücken bauen, was heißt jetzt Toleranz ? Also was
kann der Staat da überhaupt sozusagen zulassen. Er kann manches
gar nicht zulassen.
Oder denken sie an eine ganz große Demonstration vor etwa 2 Jahren.
Da gab es eine Demonstration, da wurde aufgerufen zum Aufstand
der Anständigen. Gab es eine riesige Demonstration: Aufstand der
Anständigen. Nun ist der Titel natürlich sehr kritisch, weil wenn
man an einer Demonstration, die unter dem Titel "Aufstand der
Anständigen" teilnimmt, kann es leicht dazu führen, dass man sich
schon für anständig hält, nur weil man an der Demonstration teilgenommen
hat. Das ist natürlich etwas kritisch. Es gab auch Leute, die
sagten (es ging um Ausländerfeindlichkeit) vielleicht wäre ein
Aufstand der Zuständigen noch besser, also die, die jetzt auch
zuständig sind, dass sie die Verhältnisse irgendwie bessern, dass
die vielleicht einen Aufstand machen und einige Dinge klären helfen.
Damals bei diesem riesigen Aufstand der Anständigen hat die Zeit,
ein liberales Wochenblatt, auf ihrer Titelseite geschrieben, das
war nicht nur, wie es überall auf den Transparenten hieß, ein
Marsch für Toleranz, es war auch einer für Intoleranz, nämlich:
Wir dulden keine Ausländerfeindlichkeit, weder in Worten noch
in Taten. Und das muß man immer beachten, wenn man über Toleranz
spricht.
Weil, die meisten verwechseln Toleranz mit Indifferenz,
also halten Friedrich den Großen für tolerant. Er war einfach
indifferent. Es war ihm alles egal. Von daher brauchte er keine
Toleranz. Toleranz heißt aber auch immer, hat immer eine Grenze
und eine Kehrseite der Intoleranz. Und wenn das damals auch eine
große Demonstration war für Toleranz, war es gleichzeitig auch
eine Demonstration für Intoleranz, dass man sagte, das (Ausländerfeindlichkeit)
dulden wir nicht. Also Toleranz heißt auch immer Intoleranz. Man
kann nicht nach allen Seiten offen sein. Früher gab es diesen
Satz, wer nach allen Seiten offen ist, kann nicht ganz dicht sein.
Man kann nicht nach allen Seiten offen sein.
Also es geht nicht nur um Wissensfragen, sondern es geht auch
um inhaltliche Bewertungsfragen. Von daher steht jeder
Mensch und auch jeder Staat immer wieder neu vor der Frage: Wo
ist die Grenze der Toleranz? Denn Toleranz hat eine Grenze,
denn sonst wäre es einfach Beliebigkeit, die nicht lebbar ist.
Keiner kann Beliebigkeit leben, weil wie gesagt Kindermord von
Kinderliebe sollte man schon noch unterscheiden und nicht sagen,
es ist alles gleichgültig. Wir kommen also um Urteile und Bewertungen
nicht umhin. Auch ein Staat muß z.B. sich immer die Frage stellen,
wo sind die Grenzen der Toleranz, und man hat jetzt ja wieder
neu der Terroristen des Jahres 77 gedacht und festgestellt, das
Gewaltmonopol muß grundsätzlich beim Staat sein. Kein Staat kann
dulden, dass ein Bürger einen anderen umbringt. Kein Staat kann
Kindesmißhandlung, Folter oder kriegerische Attacken einfach hinnehmen.
Da ist eine Grenze der Toleranz. Das heißt, Toleranz hat auch
Grenzen, heißt dulden, also man erduldet andere Meinungen bis
zu einem bestimmten Grad. Aber es gibt auch Grenzen. Wo die Grenzen
liegen muß immer wieder neu diskutiert werden. den Punkt 2 möchte
ich abschließen, indem ich einen Blick werfe auf 2 Beispiele,
die immer in besonderer Weise für tolerant gehalten werden.
Das eine ist Nathan der Weise. Es gibt wohl nichts, was
auch im religiösen Bereich das Toleranzdenken des Westens so stark
beeinflußt hat wie Nathan der Weise. Sie erinnern sich, haben
sie sicher in der Schule auch gehabt, sozusagen Pflichtlektüre,
es geht dabei darum, dass ein Ring vererbt wird, von einer Generation
an die nächste, und dann gibt es die Situation, dass ein Vater
3 Söhne hat, die er alle gleich liebt. Und er will nicht nur dem
einen den echten Ring geben, sondern läßt 2 Falsifikate herstellen.
Alle 3 sehen täuschend echt aus, aber nur einer ist eben der Echte
und er vererbt alle 3. Und dann stellen die 3 Söhne fest, dass
man gar nicht mehr feststellen kann, welches der echte Ring war.
Und dann merken sie im Laufe der Zeit, es ist auch ganz uninteressant,
das festzustellen, welches der echte Ring war.
Und zwar hat das Lessing ja Ende des 18. Jahrhunderts
als ein Beispiel genommen über den Unterschied der 3 Religionen,
der damals halt im wesentlichen bekannten Religionen, Judentum,
Christentum, Islam. Das ist ja sein Beispiel in dieser Geschichte.
Und er wollte zeigen, dass es eigentlich uninteressant ist, herauszufinden
zu versuchen, welches der 3 Religionen die wahre ist, sondern
man kann eigentlich, wenn man in seiner Religion richtig lebt,
schon alle Gebote erfüllen. Warum er so dachte, hängt damit zusammen,
dass er der Meinung war, der Kern aller Religionen ist die tätige
Liebe. Das war seine Meinung. Und er war der Meinung, in der Liebe
tätig sein, kann man, egal, was man für einen Ring trägt. Und
das hat allen immer eingeleuchtet. Das Ganze hat natürlich mindestens
2 Probleme.
Das eine Problem besteht darin, ob die Definition stimmt, dass
der Kern der Religionen die tätige Liebe ist. Fragen sie einen
überzeugten Moslem, ob er sagt, das Wichtigste deiner Religion
ist die Ethik. Er wird sagen, das Wichtigste ist, es gibt keinen
Gott außer Allah. Fragen sie einen Juden, was das Wichtigste an
seiner Religion sei, das Wichtigste ist die Ethik. Er wird sagen,
das Wichtigste meiner Religion ist nur Gott allein. Fragen sie
einen Christen, was das Wichtigste seiner Religion ist. Ich glaube,
das Ganze ist ein Mißverständnis von Lessing, dass er die Religionen
vereinahmt hat, indem er festgelegt hat, was das Wichtigste ist.
Wenn die Religionen nach Selbstaussage alle was ganz Anderes sagen,
als das, was Lessing sagt. Und damit konnte er das Problem lösen.
Suggestiv war auch sein Bild mit dem Ring, weil jedem einleuchtete,
letztlich ist es egal, ob der Ring nun echt ist oder nicht, vor
allem, wenn sie alle gleich aussehen. Hätte er ein anderes Bild
genommen, hätte er wahrscheinlich mehr Schwierigkeiten bekommen.
Nehmen wir einmal an, es hätte ein Vater ein Kletterseil vererbt.
Und es wären 2 Falsifikate hergestellt worden. Beim Kletterseil
weiß man, es hängt alles davon ab, ob sie strapazierfähig sind,
und dass sie nicht fadenscheinig sind. Von daher hätte wahrscheinlich
jeder gesagt, also ich möchte, bevor ich mich damit auf den Berg
wage, und mein Leben davon abhängt, dass ich am richtigen Seil
hänge, möchte ich erst geklärt haben, welches von den 3 Seilen
das Richtige ist.
Was heißt, das was Lessing gemacht hat, ging auch nur,
weil er der Meinung war, die Gottesfrage ist irrelevant. Wenn
man aber der Meinung ist, wie es etwa die Religionen sind, dass
die Gottesfrage nicht irrelevant ist, dann hängt schon alles davon
ab, was ist der echte Ring, weil der Andere wird gar nicht retten
können. Also es hängt bei dem Kletterseil alles davon ab, hängt
man an dem Seil, was wirklich hält oder hängt man an einem Seil,
was nicht hält. Und dieses Kletterseilbeispiel ist sogar, wenn
man jetzt das Alte Testament nimmt, dem Alten Testament jedenfalls
viel angemessener. Vielleicht erinnern sie sich an die Stelle
in Jesaja 7 Vers 9, da heißt es mal, da sagt Gott, wenn ihr euch
nicht an mir fest macht, werdet ihr keinen Halt, keinen Bestand
haben. Bestand ist das Wichtigste, was wir Menschen brauchen.
Wir suchen etwas oder jemand, an den wir uns hängen können, um
Bestand zu haben, denn wir haben das Leben nicht aus uns selbst.
Und Gott bietet uns an, dass wir uns an ihn festmachen, dann werden
wir Bestand haben. Die Kurzfassung der Übersetzung, die die meisten
bei sich haben heißt, glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht. Aber
die Langfassung heißt, Wenn ihr euch nicht an mir fest macht,
werdet ihr keinen Bestand haben. Und das ist durchaus das Gleiche
Bild genommen von dem Kletterseil. Das Bild, wie ein Kletterer,
der sich festmacht und dadurch Bestand hat. Dieses Bild ist sicherlich
angemessener als das Bild von Lessing. Letztlich ist das
Beispiel von Lessing kein Beispiel für Toleranz, denn er
hatte die Meinung, dass es egal ist. Und wie gesagt, wenn einer
sagt, dass etwa egal ist, muß er nichts tolerieren. Er muß an
nichts leiden. Nur wer sagt, das ist die Wahrheit, der kann darunter
leiden, dass andere diese Wahrheit nicht haben oder nicht einmal
suchen.
Ein 2. Beispiel, was für viele auch ein ganz wichtiger
Punkt ist in der religiösen Frage, ist das Beispiel des Hinduismus.
In unserer Zeit glauben viele, dass der Hinduismus eigentlich
das Vorbild ist für eine tolerante Religion. Es gibt ein Zitat,
etwa von Ghandi, was in diesem Zusammenhang schonmal zitiert wird,
der gesagt hat, ich kann über eine andere Religion nicht richten.
Es gibt keine Religion, die vollkommen wäre, alle sind sie unvollkommen
oder mehr oder minder unvollkommen. Und für viele ist das ein
Beispiel für Toleranz. Also Ghandi erhebt sich nicht über die
Religionen und sagt, das ist richtig, das ist falsch, er sagt,
man weiß es nicht, und ich möchte auch nicht und kann auch nicht
über die anderen Religionen richten, die sind genauso vollkommen
oder unvollkommen wie meine eigene. Also jeder muß halt sehen,
wie er leben will. Das halten viele für ein Beispiel für Toleranz
und sagen, ist das nicht hier eine undogmatische tolerante Religion
gegenüber einer dogmatischen Religion wie etwa der christliche
Glaube, der sagt von Jesus, ich bin die Wahrheit. Nur durch mich,
keinen anderen Weg zu Gott. Ist das nicht intolerant ?
Nun muß man, wenn man sich das näher ansieht auch feststellen,
dass narürlich auch der Hinduismus ein Dogma hat. Es ist nicht
so, dass es ein Kampf ist sozusagen zwischen dogmatischer Religion,
Christentum und undogmatischer, Hinduismus, sondern es treffen
2 Dogmen aufeinander. Das Dogma des Hinduismus heißt, Gott ist
prinzipiell unerkennbar. Und wenn eine Religion kommt oder eine
Aussage kommt wie von Jesus, der sagt, ich bin die Wahrheit, dann
sagt der Hinduismus, das kann nicht stimmen, weil oder nur in
dem Sinne, wie wir alle die Wahrheit sind. Also wie jeder von
uns Gott ist. Es gibt glaube ich 333 Millionen Götter im Hinduismus,
so ist Jesus auch Gott. Das heißt, der Hinduismus ist nur tolerant
gegenüber hinduistischen Konzepten, wie interessanterweise auch
der Pluralismus nur tolerant ist gegenüber pluralistischen Lebenskonzepten.
In dem Moment, wo ein Lebenskonzept sagt, das ist ausschließlich
wahr und zwar es begründet mit Offenbarung Gottes, dann sagt er,
das kann nicht stimmen. Also hier endet die Toleranz. Die Toleranz
des Hinduismus, der halt in einer pluralistischen Gesellschaft
sehr beliebt ist, weil er eben, genau wie pluralistische Gesellschaften
alles toleriert außer Offenbarungsreligionen, ist eine eingeschränkte
Toleranz. Es duldet nur die eigene Denkweise. Der Hinduismus ist
nur tolerant gegenüber hinduistischen Systemen wie der Pluralismus
auch nur tolerant ist gegenüber hinduistischen, pluralistischen
Systemen. Und die beiden sind durchaus eng verwandt. Also Toleranz
und Wahrheit gehören zusammen, wer aber keinen Wahrheitsanspruch
aufstellt, kann auch gar nicht tolerant sein. Ich komme zum
3. und letzten, die Frage von Wahrheit und Gewissheit.
Ohne Wahrheit gibt es also keine Toleranz. Nur wer wahr ist kann
etwas tolerieren, weil er darunter leidet, dass andere eben nicht
die Wahrheit kennen oder nicht einmal nach der Wahrheit suchen.
Man kann Wahrheit nicht mit Gewalt vermitteln. Das ist ein Mißverständnis.
Man kann auch nicht mal, wenn einer sagt 3 mal 3 sind eben 15,
nicht mal das, was es heißt das mit Gewalt vermitteln, ich schlage
so lange auf ihn ein, bis er 9 ruft. Was heißt das? Das ist gar
nicht möglich. Also wer bei seiner Meinung bleiben will, kann,
also wer z.B. sagt, alles ist determiniert in dieser Welt, der
ist argumentativ, selbst wenn es Gründe gibt, nicht vom Gegenteil
zu überzeugen.
Wahrheit und Gewissheit. Ich komme zu 2 anfänglichen Definitionen
zurück, einmal zu dieser Definition von diesem Bonner Philosophen
Baumgartner, der gesagt hat, man kann genausogut von einem
wahren Freund wie von einer wahren Aussage, wie von einer wahren
Begebenheit sprechen. Wenn wir uns das anhören und sagen, das
stimmt, es gibt einen wahren Freund, also einen auf den man sich
verlassen kann, es gibt ne wahre Aussage, also eine Aussage, da
ist der Bahnhof und tatsächlich, da ist er, und eine wahre Begebenheit,
dass man sagt, es hat etwas in der Geschichte stattgefunden, und
das stimmt wirklich, da muß man doch sagen, dass diese 3 Wahrheitsbegriffe
letztlich unter 2 verschiedenen Kategorien zu sehen sind. Und
wir kommen wieder zurück, und damit möchte ich also den 3. und
letzten Punkt schließen, bei Wahrheit und Gewissheit, zur Frage
der Tatsachenwahrheit und der personalen Wahrheit.
Wir haben es in unserem Leben immer mit diesen beiden Dingen zu
tun, mit den Tatsachen und mit den Personen.
Wir haben es mit Tatsachen zu tun, das wäre jetzt etwa im christlichen
Bereich die Frage des leeren Grabes. Und wir haben es mit Personen
zu tun. Bei dem gleichen Philosophiekongress, aus dem ich dieses
Zitat habe über die Wahrheit, da hat Robert Spähmann, Philosophieprofessor
in München, diesen Unterschied gemacht und interessanterweise
hat er das auch mit dem Neuen Testament belegt. Er hat gesagt,
es ist offenkundig, dass es ein Unterschied ist, ob man sagt,
am 3. Tage war das Grab leer, oder ob man den Satz von Jesus nimmt,
ich bin die Wahrheit. Bei dem 1. wird man sagen, die Wahrheit
besteht darin, ob das Grab nun wirklich leer war oder nicht. Und
wer damals da war und hingegangen ist, der hätte sagen können,
ja es war leer, oder er hätte sagen können, nein es ist nicht
leer. Aber man konnte Feststellungen treffen. Oder Historiker
heute können auf Grund von Texten, die sie analysieren, also als
Historiker zu Ergebnissen kommen, sagen, das spricht dafür, dass
die Auferstehung Jesu wirklich stattgefunden hat und das Grab
wirklich leer war.
Davon aber ist zu unterscheiden die 2. Frage der Wahrheit, die
personelle Wahrheit. Und das ist etwas, mit dem wir es auch zu
tun haben. Wir sind Personen und wir sind eben beständig darauf
angewiesen, festzustellen, ob Zeugen vertrauenswürdig sind,
ob sie glaubwürdig sind. Ich hatte das heute morgen schon zitiert,
dass ein Physiker gefragt wurde, ob er die Wunder im Neuen Testament
für wahr hält. Und da hat er gesagt, da kann ich als Physiker
keine Aussagen zu machen. Der Mann kann ja das nicht wiederholen.
Und Physiker versuchen ja und leben ja auch davon, dass sie Versuche
wiederholen können. Das geht in der Geschichte nicht, und bei
Wundern noch viel weniger, sondern die entscheidende Frage ist,
sind die Zeugen, die das Wunder überliefern, glaubwürdig. Auch
das, was vor Gericht entscheidend ist und für uns selbst. Wir
stehen in unserem Leben ständig vor der Frage, ob jemand glaubwürdig
ist. Also wenn uns einer etwas erzählt oder wenn wir etwas lesen,
überlegen wir uns immer, könnte das stimmen. Vor allen Dingen,
wenn von dieser Nachricht für uns etwas abhängt. Meistens hängen
von den Nachrichten, die wir hören, für uns nichts ab. Aber es
fängt schon an bei so einfachen Vorschlägen, dass uns jemand etwas
sagt, wo man etwas billig einkaufen kann. Und wenn wir an der
Sache interessiert sind, überlegen wir kurz, ob der glaubwürdig
ist, der uns das sagt oder nicht. Und glauben würde dann bedeuten,
dass wir hingehen, um das zu kaufen, von dem wir gehört haben,
dass es hier oder da billig zu haben ist. Also glauben hat immer
auch etwas zu tun damit, dass wir etwas tun. Jemandem etwas glauben
und daraufhin bestimmte Schritte gehen oder konsequent sein.
Wir haben es also bei der Frage nach der Gewissheit, bei der
Frage mit 2 unterschiedlichen Wahrheitsverständnissen zu tun.
Bei der Tatsachenwahrheit geht es darum, dass man versucht,
objektiv zu prüfen aus der Distanz, durchaus mit Skepsis. Das
haben wir heute nachmittag ja auch gemacht, indem wir uns überlegt
haben, wie ist die Quellenlage für die ersten Christen, welche
Indizien gibt es für die Auferstehung. Das sind Beobachtungen
aus der Distanz, die sind auch wichtig. Und man kann auch Argumente
hören, dass jemand glaubt, das Grab war nicht leer, und man muß
sich mit diesen Argumenten auseinandersetzen. Das ist also die
eine Welt, die Welt der Tatsachen. Das andere aber ist die für
uns viel wichtigere Welt, die wichtige Welt der Personen.
Das ist ein ganz wichtiger Punkt, wie wir Personen einschätzen.
Ich habe eben schon gesagt, es ist für uns nichts Bedeutsameres,
als über eine andere Person herauszufinden, ob sie zuverlässig
ist, ob man sich auf sie verlassen kann. Und jetzt kommen wir
noch einmal zu dem Begriff der Skepsis. Skepsis heißt, etwas prüfend
aus der Distanz betrachten. Und das ist wichtig und nötig, weil
nicht alles wahr ist. Man muß skeptisch sein. Gleichzeitig wissen
wir aber alle, es gibt kein Leben aus der Distanz. Es gibt keine
Liebe aus der Distanz, es gibt keine Freundschaft aus der Distanz
und es gibt auch keine Gottesbegegnung aus der Distanz. Wer also
wissen will, ob das Wort von Jesus, was er über sich sagt, wirklich
wahr ist, der muß nicht nur Dinge überprüfen, sondern er steht
auch vor der Frage: Ist dieser Jesus glaubwürdig. Es geht nicht
nur darum, jetzt sich aus einer Distanz mit der Frage zu beschäftigen,
denn es gibt kein Leben aus der Distanz. Das wissen wir in allen
für uns wichtigen Bereichen.
Der englische Schriftsteller C.S. Lewis hat einmal gesagt,
wenn man wissen will, ob die Katze im Wäscheschrank ist, genügt
es nicht, sich mit allen Argumenten zu beschäftigen, pro und kontra,
sondern man muss auch hingehen, die Tür aufmachen und gucken,
ist sie da oder nicht. Ich habe das mal bei einer Tagung gesagt
und fand dann tatsächlich eine Katze in meinem Wäscheschrank.
Das wird mir heute abend in Breitscheid wahrscheinlich nicht passieren,
weil ich hier nicht übernachte. Er wollte damit sagen, Argumente
sind wichtig, pro und kontra, die Tatsachenwahrheit. Aber man
muss es versuchen, selber rauszukriegen, d.h. man muß auch sich
selber einsetzen, die eigene Person. Wenn man die Verläßlichkeit,
die Zuverlässigkeit eines anderen Menschen erfahren will, dann
muß man einen Weg mitgehen. Wenn man die Zuverläßigkeit des Wortes
Gottes erfahren will, dann muß man da auch einen Weg mitgehen.
Es gibt kein Leben aus der Distanz. Zu unserem Leben gehört beides,
sozusagen Glaube und Skepsis. Genau wie Wahrheit und Toleranz
zusammengehören, das sind keine Gegensätze, sondern die gehören
zusammen. Ohne Wahrheit könnte man gar nicht tolerant sein. Und
auch Glaube und Skepsis ist etwas, was zu unserem Leben dazugehört.
Es kommt in beiden Fällen auf die richtige Mischung an. Ich hatte
heute morgen erzählt, wie ich selber Christ geworden bin. Das
möchte ich zum Abschluß noch einmal ganz kurz sagen.
1. Die Begegnung mit einem Freund in der Schule, der Christ
war und davon sprach, dass Jesus von den Toten auferstanden ist.
Das ist etwas, dafür kann ich nichts, kann nur sagen, dass es
zu meiner Biografie gehört. Ich bin ihm begegnet. Und er hat mich
angesprochen und es war mir bewußt, es gibt nur die Frage, ist
es wahr oder ist es nicht wahr. Es gibt gar keine andere Möglichkeit
mit der Frage der Auferstehung. Das ist etwas, was in der Geschichte
stattgefunden hat.
2. Die Beschäftigung aus der Distanz heraus mit den Texten
des Neuen Testaments wie ein Historiker sich mit Texten beschäftigt,
ist auch etwas Wichtiges. Ich hatte damals gedacht, wenn ich das
tue, werde ich gleich feststellen, es kann gar nicht stimmen.
Aber als ich es getan habe, habe ich gemerkt, es könnte stimmen.
Und das
3. Es geht um einen persönlichen Weg. Für mich war es
damals Johannes 7 Vers 17, wo Jesus sagt, wenn du wissen willst,
ob das, was ich sage von Gott ist, dann wirst du es herausfinden,
wenn du den Willen Gottes tun willst. Es geht nicht anders als
dieser persönliche Weg. Wenn ich an Universitäten, das ist ja
da, wo ich meistens Vorträge halte in Deutschland oder auch im
Ausland bis hin nach Russland. Wenn ich da Vorträge halte auch
über die Auferstehung, dann schließe ich meistens mit 3 Punkten.
Dann sage ich:
1. Es ist ganz wichtig für jeden Wissenschaftler, dass
er seine Information aus erster Hand hat, First Hand Information.
Das heißt, es ist für jeden wichtig, der wissen will, wer war
Jesus Christus, dass er das Neue Testament selbst liest, und sich
die Frage stellt, ist das glaubwürdig und vertrauenswürdig, was
hier steht, und ist er glaubwürdig und vertrauenswürdig. Das ist
eigentlich das Wichtigste.Das
2. ist, dass man, wenn man welche kennt, die Christen sind,
sie fragt über ihr Leben. Das ist genau so wie wenn man etwa über
Musik mehr wissen will, dann geht man zu jemanden hin, der musikbegeistert
ist, der möglicherweise auch ein Instrument spielt um sich von
ihm einführen zu lassen in die Musik von Bach oder Beethoven oder
Bruckner oder Mozart. Man geht ja nicht zu jemanden hin, der sagt,
ich bin total unmusikalisch oder sogar sagt, ich hasse Musik.
Da wird man wahrscheinlich nicht soviel lernen. Das ist ähnlich,
da wird bei rauskommen, wenn man mit jemanden spricht, der sagt,
ich glaube nicht einmal, dass es überhaupt einen Gott gibt. Da
wird man wahrscheinlich nicht viel weiter kommen mit der Gottesfrage.
und das
3. das ist aber auch ganz wichtig, dass es die Möglichkeit
gibt, dass man selbst ganz unmittelbar sich an Gott wenden kann.
Er ist sozusagen ein Gebet entfernt. "Er ist nicht ferne von einem
Jedem von uns".
Das sind die Punkte, mit denen ich meine Vorträge an Universitäten
über die Auferstehung etwa oder über Glaube und Skepsis oder andere
Themen, beende. Weil bei der Frage der Wahrheit und der Gewissheit
gibt es eben diese beiden Bereiche, das mehr Objektive, was man
aus der Distanz prüfen kann und das, was mit dazugehört, was mit
meinem eigenen Leben zusammenhängt, weil es eben kein Leben aus
der Distanz gibt. Und so wie Wahrheit und Toleranz zusammehängen,
ohne Wahrheit keine Toleranz, so sind auch Glaube und Skepsis
nötig. Es geht nicht um Glaube oder Skepsis, sondern wir haben
beides in uns und wir brauchen auch beides in unserem Leben, weil
eben nicht alles wahr ist. Und deshalb möchte ich meinen Beitrag
heute abend damit schließen, dass ich ihnen und auch mir wünsche,
dass wir in unserem Leben immer das richtige Verhältnis, die richtige
Mischung finden von Glaube und Skepsis. Dankeschön.
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