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Überlieferung                   
Wer konnte damals überhaupt schreiben ? Jesus als Buchautor ?
schüler (1)

Jesus und seine Schüler

Wie zuverlässig wurden Jesu Worte überliefert?

von Franz (Graf-)Stuhlhofer

Inhalt

Vorwort

1. Jahrzehnte vergingen ...

a) Der Zeitpunkt der Verschriftlichung
b) Wer konnte damals überhaupt schreiben?
c) Wichtiges aufschreiben?
Im Alten Testament
Im Neuen Testament
d) Jesus als Buchautor?
e) Niederschreiben? Für wen?
 

2. Mündliche Weitergabe zuverlässig?

a) Drei Stunden Jesus-Reden
b) Auswendiglernen: Schüler, Rabbinen und Philosophen
c) Auswendiglernen: Indizien im NT dafür?
Der Rabbi und seine Schüler
Überliefern und empfangen
d) Jesus, der Poet
e) Tausendmal das gleiche gehört
f) Vom Zitieren, Berichten und frei Erfinden
 

3. Es begann mit ungebildeten "Fanatikern"

a) Eine Handvoll unliterarischer Fischer
b) Fanatismus und Phantasie

4. Propheten und Enthusiasten

a) Das Ende ist nahe
b) Der "Sitz im Leben" der ersten Christenversammlung
c) Die wunderbare WorteJesu-Vermehrung

5. Die literarische Explosion 50 Jahre danach

a) Revolutionäre Datierungs-Vorschläge
b) Die "herkömmliche" Datierung
c) Jesus: erst ein Jahrhundert danach eine Autorität?

6. Der Geschichtsbegriff in der Antike

7. Parteiische Geschichtsschreibung

8. Ländliche Aramäer und städtische Hellenisten

a) Einfluß durch hellenistische Mysterienkulte?.
b) Wir haben nicht das Original, bloß die Übersetzung ...

9. Wie argumentieren andere Evangelikale?

a) Zahl und Alter der Handschriften
b) Heiden als Bestätigung
c) Inspiration der biblischen Texte
d) ... Jesus in den Mund gelegt?

10. Reaktionen auf Riesner

11. Widersprüche zwischen den Evangelien?

Zusammenfassung

Ein Aufsatz vom gleichen Autor: >> und "Ist es wichtig ob die Evangelien historisch zu verstehen sind.pdf"

Vorwort

Dieses Buch geht einer historischen Frage nach. Hierbei finden wir verschiedene Positionen. Manche halten diese Frage prinzipiell für unbeantwortbar. "Wir können nicht hinter die Texte zurück", so ihre Haltung. Wir hätten demnach zwar Texte und können uns mit diesen auch beschäftigen, doch die Ereignisse, die vor der Niederschrift dieser Texte liegen, könnten wir nicht mehr erforschen.

Ist diese Haltung berechtigt? Viele Menschen würden das bedauern und sich mit Bedauern vom Neuen Testament abwenden. Denn noch immer ist die Persönlichkeit des historischen Jesus das Attraktivste am ganzen Christentum. Viele Menschen finden Jesus faszinierend. Wenn man sie davon überzeugen kann, daß wir über den historischen Jesus nichts oder nahezu nichts aussagen können, so werden sie sich eben anderen, aktuelleren Themen zuwenden. Denn die Theologie etwa des Matthäus fasziniert sie wesentlich weniger als die Persönlichkeit Jesu. Sicherlich bleiben noch einige Literaturspezialisten übrig, die es spannend finden, diese Texte im Hinblick auf darin verborgene Aussage-Absichten zu analysieren, aber solche Menschen sind doch stark in der Minderheit. Wie theologische Literatur auf viele Laien wirkt, hat Wolfgang Feneberg anschaulich dargelegt: "Da nun den Glaubenden nicht so sehr interessiert, was Markus geglaubt und aus diesem Glauben heraus sich erdacht hat, sondern nur und einzig, was Jesus geglaubt, gesagt und getan hat, liegt hier der Grund für das Unbehagen des Glaubenden an Kommentaren und Jesusbüchern" (in: Stimmen der Zeit I982, 857).

Obwohl nun diese Haltung unter Theologen weitverbreitet ist, wird sie doch nicht von allen geteilt. Auch unter jenen, die den historischen Gehalt der Evangelien skeptisch beurteilen,
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gibt es manche, die es für möglich (und wichtig!) halten, diesen historischen Gehalt ausfindig zu machen. "Wir müssen nach dem Jesus der Geschichte fragen", lesen wir etwa bei Kurt Niederwimmer in seinem Buch Jesus (1968, S. 10f). Die Antwort werde dabei zwar nur spärlich fließen; Niederwimmer meint, "daß nur ein Bruchteil der Überlieferung auf Jesus selbst zurückgeführt werden kann" (S. 24). Das wenige, das Rudolf Bultmann hier noch übrigließ, müsse nach Niederwimmer noch weiter verringert werden - dennoch bräuchten wir nicht vollständig zu resignieren.

Andere Theologen sind hier zuversichtlicher. Doch übereinstimmend mit Niederwimmer meinen auch sie, daß die historische Frage möglich und wichtig ist. Rainer Riesner hat die synoptische Tradition untersucht und weist auf eine ganze Reihe von Indizien hin, die für eine verläßliche Weitergabe der Worte Jesu sprechen. Seine Dissertation Jesus als Lehrer war 1981 erschienen und erlebte bereits eine 3.Auflage (J.C.B. Mohr, Tübingen 1988); sie stieß also auf eine Nachfrage, die für eine theologische Doktorarbeit ungewöhnlich ist. Mein Buchtitel deutet die Nähe zu Riesners Buch bereits an. Riesners Dissertation war der hauptsächliche Anstoß für mich, dieses Buch zu verfassen. Ich hatte den Eindruck, daß seine Arbeit vieles enthält, was einem größeren Publikum zugänglich gemacht werden sollte. (Natürlich habe ich mich bei der Ausarbeitung nicht nur auf den Inhalt von Riesners Dissertation beschränkt. Auch die das Johannesevangelium betreffenden Fragen beziehe ich mit ein, während Riesner sich auf die Synoptiker konzentriert hatte.)

Übrigens haben Rainer Riesner sowie Helmut Burkhardt (dessen Dissertation über Die Inspiration heiliger Schriften bei Philo von Alexandrien 1988 erschienen ist) das Manuskript zu meinem Buch gelesen und mir wichtige Hinweise gegeben.
Ich bin mir dessen bewußt, daß eine solche Kurzfassung auch Gefahren in sich birgt, vor allem die Gefahr der Verein-
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fachung; die Gefahr auch, daß die Gegenposition in ihrer Argumentation nicht mehr voll zum Tragen kommt.
Ich möchte mich möglichst auf sichere Aussagen stützen und wenig mit bloßen Vermutungen operieren. Infolgedessen kommen mitunter auch triviale Aussagen bzw. ungewöhnliche Fragestellungen. Dafür möchte ich auf beiden Seiten um Verständnis bitten: Bei Fundamentalisten dafür, daß ich wiederholt gedanklich auf Überlegungen der Liberalen eingehe und sie konsequent weiterdenke - Fundamentalisten müssen sich also darauf einstellen, hier auch ihnen unangenehme Fragestellungen verfolgt zu sehen (anstatt sie kurz abzufertigen).
Und bei Liberalen dafür, daß ich manchmal vom "Nullpunkt" anfange und nicht unbedingt dort, wo Fachtheologen schon weitgehend eine Übereinstimmung erzielt haben.
(Ich verwende die Begriffe "Fundamentalist" und "Liberaler" in Ermangelung besserer Bezeichnungen. Als "liberal" gilt jemand, der die Echtheitsfrage bei Jesusworten oder Paulusbriefen häufig negativ beantwortet, während als "konservativ" derjenige gilt, der zu positiven Antworten tendiert. Beide verwenden aber die Methoden der Geschichtsforschung, und das Ergebnis steht für sie nicht von vornherein fest. Anders beim Fundamentalisten: Innerhalb der Bibel beantwortet er alle Echtheitsfragen aus Prinzip bejahend, ohne die Ergebnisse historischer Untersuchungen abzuwarten.)
Die Literaturangaben am Ende eines Kapitels verweisen in erster Linie auf nähere Ausführungen in Riesners Buch und geben daneben noch einige weitere Hinweise. Einige Abkürzungen werden häufig verwendet: AT = Altes Testament, NT = Neues Testament, atl. = alttestamentlich, ntl. = neutestament- lich. Die Namen der ntl. Bücher kürze ich innerhalb von Stellenangaben auch ab.
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1. Jahrzehnte vergingen ...

Jahrzehnte vergingen, bis schließlich einer der ehemaligen Schüler Jesu auf die Idee kam, man könnte doch Jesu Worte auch schriftlich festhalten. - Ist diese Vorstellung realistisch? Jedenfalls stoßen wir hier schon auf zwei Fragen. Zuerst: Wieviel Zeit lag zwischen Ereignissen und Niederschrift? und dann: War das Gedächtnis leistungsfähig (und -willig!) genug, um diesen Zeitraum zu überbrücken?

Ein diese Fragen ansprechender Einwand könnte folgendermaßen formuliert werden:
"Zwischen den Ereignissen um Jesus und der Abfassung der Evangelien liegen mehrere Jahrzehnte, vielleicht sogar ein halbes Jahrhundert (beim Johannesevangelium wahrscheinlich noch mehr). Wie soll man sich da noch auf etwas verlassen können? Wer von uns könnte noch Aussprüche oder Dialoge genau wiedergeben, die Jahre (oder gar Jahrzehnte!) zurückliegen?"
Ein schwerwiegender Einwand! Er verdient es, eingehend betrachtet zu werden.

a) Der Zeitpunkt der Verschriftlichung

Wann wurden die Evangelien abgefaßt? Ein grober Rahmen kann durch die beiden Extremdaten, den Frühestzeitpunkt (terminus a quo) und durch den Spätestzeitpunkt (terminus ante quem) fixiert werden. Wenn wir die Ereignisse um Jesus auf etwa 3o "nach Christus" ansetzen, haben wir den ersten Zeit-
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punkt. Die Berichte darüber können frühestens während dieser Ereignisse (oder kurz danach) verfaßt worden sein.
   Der zweite Zeitpunkt ergibt sich:

Erstens aus den ältesten Abschriften: ein Fragment des Johannesevangeliums wird auf etwa 120 n. Chr. datiert, nämlich der in Manchester aufbewahrte Papyrus 52. Er wurde in Ägypten gefunden, also etwa 1000 km von der Stelle entfernt, an der er vermutlich geschrieben wurde (Syrien oder Kleinasien).

Zweitens aus der frühesten Benutzung von Evangelien seitens der nachneutestamentlichen Kirchenschriftsteller (deren älteste "Apostolische Väter" genannt werden). Allgemein anerkannte Beispiele für Evangelien-Benutzung liegen um 130 n. Chr.:
Papias kennt das Matthäus- und das Markusevangelium.
Polykarp von Smyrna
kennt das Matthäus- und das Lukas- evangelium.
Der sog. Barnabasbrief zitiert das Matthäusevangelium.
Es ergibt sich also der Beginn des 2.Jahrhunderts als Spätestzeitpunkt.

In Kapitel 5 werden wir die Frage nach dem Zeitpunkt der Abfassung der Evangelien noch genauer zu beantworten versuchen. Was ergibt sich vorerst aus dem hier gewonnenen "Rahmen"? Auf jeden Fall soviel, daß wir mit der Möglichkeit eines Zwischenzeitraumes von mehreren Jahrzehnten rechnen müssen.
Mit "Abfassung" der Evangelien meine ich die Niederschrift des Originaltextes, auf den unsere Abschriften zurückgehen. Diesem Originaltext könnten schriftliche Vorformen vorausgegangen sein. Die "Abfassung" bezieht sich dann also auf die "Endredaktion" der Evangelien. Das heißt auch, daß der Zeitraum zwischen Ereignissen und ersten schriftlichen Berichten darüber kürzer gewesen sein kann als der gesamte Zwischenzeitraum (Ereignisse - Evangelien).
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Seitenanfang Literatur zur Evangelienkenntnis der "Apostolischen Väter": Werner Georg Kümmel, Einleitung in das Neue Testament (201980), S. 426f.

b) Wer konnte damals überhaupt schreiben?

Wurden Jesu Worte bald schriftlich festgehalten? Um darüber eine Vermutung anstellen zu können, müssen wir den kulturellen Hintergrund betrachten. Waren Schreibkenntnisse das Privileg vereinzelter Gelehrter (von denen möglicherweise keiner zu Jesu Anhängern zählte), oder waren solche Kenntnisse stark verbreitet?

Wir müssen uns daran erinnern, daß im 2.Jahrtausend vor Christus eine folgenschwere "Entdeckung" gemacht wurde: Es wurde (in mehreren Schritten) das Alphabet entwickelt - mit etwa 30 Zeichen. In der hebräischen Sprache wurden 22 Konsonanten verwendet - mit Hilfe dieser 22 Zeichen konnten alle hebräischen Worte geschrieben werden. (Das griechische Alphabet umfaßte dann 24 Zeichen.) Durch ein solches Alphabet wurde das Erlernen des Schreibens (und Lesens) sehr erleichtert. Denn vorher war es nötig, für jedes Wort ein eigenes Zeichen zu lernen - noch heute ist deshalb das Chinesische so schwer zu erlernen. Im Alten Orient gab es (seit etwa 3000 v. Chr.) verschiedene Schrifttypen, etwa die ägyptischen Hieroglyphen und die babylonische Keilschrift, die ein solches aufwendiges Lernen benötigten (die Keilschrift etwa umfaßte über 500 Zeichen!).

Zu dieser wichtigen "Entdeckung" des Alphabets kam es an der östlichen Mittelmeerküste (Phönizien?). (Man könnte denken: Gerade rechtzeitig, um die im AT ab 2. Mose berichteten Ereignisse sofort aufschreiben und verbreiten zu können!) So ist es auch verständlich, daß in Israel im Jahrtausend vor Jesus Schreibkenntnisse weit verbreitet waren. Jeder israelitische
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Hausherr mußte die Worte des Gesetzes schreiben können (5.Mo 6,9; 11,20). Um 700 v. Chr. gab es Propheten, die ihre Verkündigung durch geschriebene Tafeln (Schreibbretter mit einer Wachsschicht?) unterstützten, also verbreitete Lesekenntnisse voraussetzen konnten (Jes 8,1; 30,8; Hab 2,2f). Und überhaupt, wenn wir an das AT denken: Alleine die Tatsache, daß derart viel hebräische Literatur geschrieben und vor allem auch (durch Abschreiben) erhalten wurde, weist darauf hin, daß es viele schreib- und lesefähige Menschen in Israel gab.

Zur Zeit Jesu gab es eine große Zahl von Synagogen. Dort fanden - religionsgeschichtlich betrachtet etwas Neues! - reine Wortgottesdienste statt. Auf jeden Fall wurde dabei ein Abschnitt aus den fünf Büchern Mose gelesen und wohl auch ein Abschnitt aus den Propheten. Von daher benötigte jede Synagoge zumindest einen lesefähigen Mann. Doch sollte jeder mündige Mann dazu fähig sein, und der Synagogenvorsteher zog auch tatsächlich mehrere Männer dazu heran. Diese Einrichtung bezeugt also weitverbreitete Lesekenntnisse.

(Da Lesen und Schreiben im allgemeinen gemeinsam erlernt wird, kann man von daher auch auf weitverbreitete Schreibkenntnisse schließen. Überhaupt ist damit zu rechnen, daß mit der Einrichtung von Synagogen auch Schulen gegründet wurden - zusätzlich veranlaßt vielleicht auch durch Vorbild/Konkurrenz der hellenistischen Schulen - solche existierten bereits im 2.Jh. v. Chr. in Jerusalem laut 1. Makkabäer 1,14 und 2. Makkabäer 4,9.12.14.)

Nach Apostelgeschichte 17,10f gab es auch Schriftstudium außerhalb des Synagogengottesdienstes: "... forschten täglich in den Schriften nach". Und die Essener sind ein Beispiel für eine Gruppe mit intensivem Schriftstudium. Im NT finden wir Jesus oft konfrontiert mit Schriftgelehrten - etwa den pharisäischen, die vorwiegend dem Mittelstand entstammten und gewöhnlichen (z. B. handwerklichen) Berufen nachgingen. Neben den pharisäischen und den sadduzäischen gab es aber auch noch Schriftgelehrte anderer Richtungen.
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Und wie war es um solche Kenntnisse innerhalb von Jesu Anhängerkreis bestellt? Dieser Frage gehen wir in Kapitel 3a nach.

Literatur dazu: Das Große Bibellexikon, Bd. 3 (Wuppertal/Gießen 1989), S. I395-I400 (Artikel Schrift V = Schrifttypen) - Riesner 112. 137f. 153. 170. 173 f. 176. 179. 182- 191.198f.

c) Wichtiges aufschreiben?

Im Alten Testament

Was machte jemand, der eine Botschaft übermitteln wollte? Insbesondere dann, wenn er der Meinung war, daß diese Botschaft letztlich von Gott selbst stammt? Sehr häufig lautete die Antwort: Er schrieb diese Botschaft auf oder diktierte sie einem Sekretär.

Beginnen wir mit dem AT: "... erging von Jahwe dieses Wort an Jeremia:, Nimm dir eine Buchrolle, und schreib darauf alle Worte, die ich zu dir über Israel und Juda und über alle Völker gesprochen habe, seitdem ich zu dir rede ... Vielleicht werden die Leute vom Haus Juda, wenn sie hören, wieviel Unheil ich ihnen antun will, umkehren'" Jer 36,2f).

Ein Skeptiker könnte nun die Frage aufwerfen, ob wirklich Gott selbst so zu Jeremia gesprochen hat. Doch diese Frage braucht uns jetzt gar nicht zu beschäftigen; wichtig ist bloß das eine, daß bereits sechs Jahrhunderte vor Christus der Gedanke, eine wichtige Botschaft auch schriftlich festzuhalten, vorhanden war. Wobei der Gedanke an spätere Generationen keineswegs im Vordergrund stand, vielmehr ging es um die gegenwärtige, durch die Botschaft angesprochene Generation - der ein Gericht angedroht wurde, das in den nachfolgenden Jahrzehnten auch tatsächlich kam. Das heißt, eine schriftliche Nie-
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derlegung einer aktuellen Botschaft wurde durchaus als sinnvoll angesehen.

Die Leser dieser Prophetenschriften stießen bei der Lektüre mehrmals auf Schreibbefehle: Bei Jeremia auch schon in 30,2, dann nochmals in 36,28; bei Jesaja und Habakuk fanden sie die schon erwähnten Tafeln.

Selbst wenn wir keinen solchen Schreibbefehl im Buch Jeremia finden würden: Allein die Existenz dieses Buches sagt schon etwas im Hinblick darauf, daß mitunter eine schriftliche Niederlegung als sinnvoll empfunden wurde. Wobei der Umfang des Niedergeschriebenen bedeutend sein konnte: Das Buch Jeremia etwa ist so umfangreich wie Markusevangelium und Johannesevangelium zusammengenommen.

Ganz allgemein gilt (im Unterschied zum Gesetz Mose) für die Propheten, daß ihre Botschaft an eine konkrete Generation ging; trotz dieser Ausrichtung auf eine kurze Zeit wurde diese Botschaft einer Niederschrift wertgeachtet. Es herrschte also nicht die Überlegung: Diese Botschaft gilt ohnehin nur für einige Jahr(zehnt)e - es lohnt sich daher nicht, sie niederzuschreiben.

Selbst wenn jemand ganz pessimistisch sein will, was den historischen Gehalt dieser prophetischen Bücher betrifft: Ob Propheten dieses Namens wirklich gelebt haben, ob deren Vorhersagen vielleicht alle erst nach den vorhergesagten Ereignissen erfolgten (der Fachausdruck für eine "Vorhersage im nachhinein" ist vaticinium ex eventu); in unserem Zusammenhang ist zweierlei viel wichtiger:

Diese prophetischen Bücher existierten zur Zeit Jesu. Das kann mit absoluter Sicherheit behauptet werden, denn das belegen die Zitate in den ntl. Büchern, bei Flavius Josephus oder bei Philo von Alexandria, außerdem Abschriften unter den Qumran-Handschriften.
Und sie wurden intensiv studiert, gehörten sie doch zu der Sammlung autoritativer Bücher, genannt "Schrift" oder "Schriften". Das heißt, Jesus und seine Anhänger lebten in
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einer Welt, die geprägt war durch diese "Schriften" und somit auch durch deren Vorbild in bezug auf das schriftliche Festhalten von als wichtig erachteten Botschaften Gottes.
Was fanden sie nun im AT? Den Befehl, einen Bericht über ein wichtiges Ereignis niederzuschreiben ("Halte das zur Erinnerung in einer Urkunde fest" - 2. Mo 17,14); wichtige Gebote sollten zwecks Einschärfung auf die Türpfosten geschrieben werden (5.Mo 6,9; 11,20), außerdem auf Steine (5.Mo 27,3.8); ein israelitischer König sollte sich vom Gesetz eine Zweitschrift anfertigen lassen, um darin lebenslang lesen zu können (5.Mo 17,18); das Moselied sollte auswendiggelernt werden - doch zuerst sollte es aufgeschrieben werden (5. Mo 31,19).
Die Möglichkeit, Wichtiges schriftlich festzuhalten, war bei den Juden also lange vor Jesus stets vorhanden. Und durch die AT-Lektüre wurde diese Möglichkeit wachgehalten.
Jesu Anhänger sahen dessen Predigten als von Gott kommend an. War dann der Gedanke, diese Predigten bald auch schriftlich festzuhalten, nicht naheliegend? Und zwar ganz abgesehen von unseren heutigen Erwartungen, einfach im Hinblick auf den Hintergrund der Kultur, in dem Jesu Anhänger lebten ~

Im Neuen Testament

Auch die ntl. Bücher weisen in die gleiche Richtung. Die Apostelgeschichte berichtet von einer in Antiochia (in Syrien) aufgebrochenen Streitfrage, die Notwendigkeit der Beschneidung Neubekehrter betreffend. Daraufhin kam es in Jerusalem zu einer beratenden Versammlung. Deren Ergebnis wurde den Christen in Antiochia durch einen Brief mitgeteilt, überbracht von vier Männern. Es hätte ja genügt, wenn diese vier Männer das Ergebnis mündlich mitgeteilt hätten. Doch parallel zu deren mündlicher Mitteilung sollte auch eine kurze schriftliche Mitteilung überbracht werden (der Inhalt des Briefes in Apg 15,23-29).
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Auch hier braucht uns die Frage, ob die Berichte der Apostelgeschichte historisch genau sind, nicht zu beschäftigen. Denn jedenfalls wurde die Apostelgeschichte im 1. Jahrhundert n. Chr. geschrieben und liefert ein Bild der damaligen Zeit - und stellt somit auch einen Beleg für die damalige Bedeutung der schriftlichen Vermittlung dar.

Das gleiche gilt auch ganz generell für die im NT gesammelten Briefe; deren längste (Röm, 1.Kor und Hebr) jeweils halb so umfangreich wie das Markusevangelium sind. Im allgemeinen wurden sie durch einen Beauftragten des Briefschreibers überbracht, nicht durch die staatliche Post. Es hätte also durchaus genügt, wenn etwa Paulus seinen Mitarbeiter Timotheus mündlich informiert hätte über das, was er der zu besuchenden Gemeinde ausrichten will, wenn Paulus gemeint hätte, es genüge ja der Grundgedanke, und den werde sein Mitarbeiter schon verläßlich weitergeben können. Doch nein, Paulus gab ihm auch einen - mitunter langen - Brief mit, in dem er das Mitzuteilende schriftlich festhielt (z.B. 1.Kor 16,10). Dabei kündigt er an, später selbst zu kommen! Es bestand also durchaus keine Notwendigkeit für einen so langen, arbeitsaufwendigen Brief. Das Dringendste hätte der Mitarbeiter mündlich mitteilen können; genauere theologische Ausführungen hätte dann Paulus selbst bei seinem eigenen Kommen anbieten können (wie etwa bei 2.Joh 12 und 3.Joh 13f praktiziert).

Jedenfalls wurden viele Briefe geschrieben - die erhaltenen Paulusbriefe stammen sämtlich aus dessen zweiter Wirkungshälfte (und sind auch für diesen Zeitraum nicht vollständig), stellen also wohl nur einen Ausschnitt aus der Gesamtheit der von Paulus geschriebenen Briefe dar. Insgesamt wird bei den ntl. Briefen mit zumindest fünf verschiedenen Autoren gerechnet. Wir haben auch keinen Grund zur Annahme, daß alle in der frühen Christenheit geschriebenen Briefe sich erhalten haben und in unser NT gelangt sind. Es gab also wohl eine größere Zahl von Briefschreibern. Das zeigt, daß die Praxis, zur Mit-
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teilung einer als wichtig angesehenen Botschaft die schriftliche Form zu verwenden, weit verbreitet war.
Während Paulus um 5o n. Chr. wegen verschiedener Detailfragen die Arbeit des Briefeschreibens auf sich nahm, fand es niemand der Mühe wert, das Geschehen um Jesu Tod und Auferstehung niederzuschreiben? (Der Umfang der ntl. Briefe unter dem Namen des Paulus - also exklusive Hebräerbrief - entspricht dem von Matthäus- und Johannesevangelium zusammengenommen; dabei war das Briefeschreiben sicher nicht die Hauptbeschäftigung des Paulus.) Die Passionsgeschichte (= die jeweils letzten 3 Kapitel der Synoptiker) entspricht etwa dem Umfang von Galater oder von 1. und 2. Thessalonicher zusammengenomrnen.

Wir könnten jetzt auch noch die sog. Offenbarung des Johannes betrachten. Ein umfangreiches Buch - nur wenig dünner als das Markusevangelium - und durchsetzt von starker Naherwartung. Lohnt es sich überhaupt noch, so knapp vor dem Ende ein so umfangreiches Buch zu schreiben? Jedenfalls wurde es geschrieben. Und gerade dieses Buch enthält von allen biblischen Büchern weitaus die meisten Schreibbefehle: "Was du siehst, schreibe in ein Buch und sende es den sieben Versammlungen" (1,11; ähnlich in 1,19; 2,1.8.12.18; 3,1.7.14; 14,13; 19,9; 21,5 - daneben auch einen "Schreib-nicht-Befehl": 10,4).

Betrachten wir abschließend noch jene zwei Evangelien, die selbst etwas über den Zweck ihrer Niederschrift aussagen. Beim Lukasevangelium finden wir das gleich zu Beginn, in der Widmung an Theophilus: "... es dir, vortrefflichster Theophilus, der Reihe nach zu schreiben, damit du die Zuverlässigkeit der Dinge erkennst, in denen du unterrichtet worden bist" (Lk 1,3f).
Lukas selbst war kein Augenzeuge der Ereignisse, aber er hat Nachforschungen angestellt. Anstatt diese nun dem Theophilus mündlich zu berichten, legt er seine Ergebnisse schriftlich
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vor, wohl in der Meinung, daß eine schriftliche Darlegung für den Leser von Vorteil ist.
Zuvor hatte Lukas geschrieben: "Da es nun schon viele unternommen haben, eine Erzählung von den Ereignissen zu verfassen, die sich unter uns zugetragen haben, wie sie uns die überliefert haben, die von Anfang an Augenzeugen und Diener des Wortes gewesen sind" (1,1f). Daran ist das "viele" bemerkenswert. Es klingt hier so, als ob das Niederschreiben dessen, was die Augenzeugen der Jesus-Ereignisse erzählten, nicht das ungewöhnliche Hobby eines einzelnen Schreibers gewesen wäre, sondern eine vielpraktizierte Beschäftigung.

Das andere Evangelium ist das "nach Johannes". Warum wurde es geschrieben? "Auch viele andere Zeichen hat nun zwar Jesus vor den Jüngern getan, die nicht in diesem Buch geschrieben sind. Diese aber sind geschrieben, damit ihr glaubt, daß Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes" Joh 20, 33f).
Auch das zeigt, daß der Gedanke der schriftlichen Vermittlung (anstelle einer ausschließlich mündlichen) naheliegend war.

Seit rund 100 n. Chr. wurde innerhalb der christlichen Bewegung eine bis dahin bloß für Notizbücher verwendete Buchform intensiv verwendet, auch für ihre "heiligen Schriften", nämlich der Kodex. Er sieht wie ein heutiges Heft oder Buch aus. Während zuvor die Blätter nur einseitig beschrieben und zu langen Rollen zusammengeklebt wurden, beschrieb man nun die Blätter beidseitig, gefaltet und an einer Kante zusammengefaßt. Daraus ergibt sich, daß jedenfalls zu dieser Zeit die Verbreitung schriftlicher Texte eine große Rolle spielte. Doch wissen wir nicht genau, wann die intensive Verwendung des Kodex' begann.

Literatur zum Umfang der biblischen Bücher: Franz Stuhlhofer, Der Gebrauch der Bibel von Jesus bis Euseb (1988), S. 38.58f.66.
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d) Jesus als Buchautor?

Wenn man die verschiedenen atl. und ntl. Beispiele schriftlicher Niederlegung wichtiger Botschaften zusammenstellt, könnte man zu einer extremen Vorstellung gelangen: Wichtige Botschaften wurden immer und sofort schriftlich festgehalten. Nach dieser Vorstellung wäre dann auch zu erwarten, Jesus selbst hätte ein Buch geschrieben (eigenhändig oder durch Diktat). Denn schließlich: Wenn er die Abfassung einer Jesus- Schrift jemand anderem überließe, könnte es leicht passieren, daß dieser manches mißversteht, durcheinanderbringt, schlecht ausdrückt ... Also wäre es doch wohl am sichersten gewesen, wenn Jesus höchstpersönlich sein Buch schrieb und dann seine Schüler darin einführte und überwachte, daß sie dieses Buch korrekt abschrieben und dadurch vervielfältigten. Auch wenn uns die Evangelien nur fragmentarische Einblicke in Jesu Tätigkeit vermitteln, können wir doch sicher sagen, daß sich das Ganze nicht so abgespielt hat. Jesus konnte vermutlich schreiben, hat es wohl auch getan Joh 8,6?). Aber er hat kein Buch geschrieben, in dem er seine Lehren festhielt. Er hat auch keinem Schüler diktiert. Es fehlt auch jeder Hinweis darauf, daß Jesu Reden mitstenographiert wurden. Kurz und gut, Jesus hatte durchaus nicht die extreme Einstellung, daß nur auf schriftliche Weitergabe Verlaß sei.
(Seit der Mitte des 1.Jahrhunderts v. Chr. gab es für das Lateinische eine brauchbare Stenographie, nämlich die nach Tiro benannten "tironischen Noten".)
Auch die Möglichkeit, daß noch zu Jesu Lebzeiten Notizen angefertigt wurden, bestand. Zumindest in der Oberschicht waren in hellenistischer Zeit Notizbücher verbreitet. In Rhetorenschulen und in Philosophenschulen versuchten Schüler mitzuschreiben.
Wenngleich diese Möglichkeiten durchaus bestanden, ist doch zweierlei zu bemerken: Erstens handelt es sich bloß um Möglichkeiten; wir haben
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keine Sicherheit, daß es tatsächlich so war. Das heißt, wir müssen auch mit der anderen Möglichkeit rechnen - daß zu so früher Zeit noch keine Notizen gemacht wurden. Und wir haben weiter zu fragen, ob wir uns auch in diesem Fall auf die Überlieferung der Worte Jesu verlassen können.
Zweitens gibt es manche Hinweise darauf, daß Jesus bzw. seinen Schülern eine sofortige, exakte schriftliche Niederlegung nicht so wichtig war. Denn Jesu Anhänger haben jedenfalls nicht so früh und so sorgfältig aufgeschrieben, daß die Überlieferung auch in den Einzelheiten völlig eindeutig war - man denke nur an die Unterschiede zwischen den Evangelien, (Dazu siehe Kap. 11. )
Erinnern wir uns an die Aussagen über den "Zweck" von Lukas- und von Johannesevangelium. Lukas hat Nachforschungen angestellt - er wollte auf das von den Augenzeugen Überlieferte zurückgehen. Wichtig ist hier der Begriff der Augenzeugenschaft und der Begriff der Überlieferung: Was die Augenzeugen überlieferten (= weitergaben), ist entscheidend, dieses soll genau festgehalten werden. Aber Lukas erwähnt nichts von einem Handschriftenvergleich, nichts davon, daß er überprüft habe, ob ein schriftlicher Bericht mit dem Originalprotokoll übereinstimmt. Zwar kann es durchaus sein, daß Lukas solche Vergleiche und Überprüfungen durchgeführt hat, aber jedenfalls schien es ihm nicht so wichtig zu sein, daraufhinzuweisen.
Gleiches gilt für das Johannesevangelium. Der 1.Johannesbrief - der dem Evangelium inhaltlich und sprachlich nahesteht, so daß zumeist derselbe Verfasser oder zumindest dieselbe "Schule" angenommen wird - beginnt mit einer starken Betonung der Augenzeugenschaft, indem auf das Wort und auf das Leben verwiesen wird - beides Synonyme für Jesus: "was wir gehört, was wir mit unseren Augen gesehen, was wir angeschaut und unsere Hände betastet haben vom Wort des Lebens ... wir haben gesehen und bezeugen und verkündigen euch das ewige Leben..." Und diese Verkündigung geschieht - wie im
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1.Johannesbrief - auch schriftlich. Wir begegnen hier dem Anspruch, daß von Augenzeugen weitergegeben wurde: schriftlich, aber wohl auch mündlich. Doch auch hier Fehlt jeder Hinweis auf ursprünglichste Texte - Protokolle, Mitschriften oder bald nach Jesu Weggang von den Elfen autorisierte schriftliche Berichte, mit denen nun alle weiteren Texte übereinzustimmen hätten. (Um Augenzeugenschaft geht es auch am Schluß des Joh 21,24.)
Vielleicht klingen solche Hinweise überflüssig - sie sind es aber nicht. Zur Zeit des AT gab es in Assyrien (unter Tiglatpilesar I. und Assurbanipal) eine rege bibliothekarische Abschreibetätigkeit. Bei der Abschrift eines Textes erwähnten die Schreiber oft die Quelle, teilten den Zustand der Kopiervorlage mit und gaben an, ob der Text am Original überprüft oder nur gemäß mündlicher Tradierung notiert worden war. Letztere wurde meist als weniger verläßliche Methode betrachtet. Verglichen damit scheinen die NT-Autoren das exakte Abschreiben nicht so stark betont zu haben.
(Ein Vertreter der "Mitschreib-Meinung" kann nun wieder dagegenhalten: Es könnte mitgeschrieben worden sein, ohne daß diese Handlung selbst als berichtenswert galt. Also: Die Jünger stenographierten Jesu Reden mit, die Evangelien sagen aber nichts davon. Als Unterstützung dieser Meinung könnte darauf verwiesen werden, daß der Verfasser der Apostelgeschichte gewußt haben muß, daß Paulus einige Briefe schrieb; trotzdem erwähnt er diese Tätigkeit nie. Abgesehen davon, daß er den Inhalt nicht als Quelle heranzieht - vielleicht war ihm dieser nicht verfügbar; aber er hätte zumindest z.B. erwähnen können: "als Paulus in Ephesus war, setzte er sich hin und diktierte einen Brief an die Korinther ..." - Jedoch kann hierüber nur spekuliert werden, und wir haben keine sichere Basis, um darauf bauen zu können.)

Literatur dazu: Riesner 491-496. Zum Abschreiben: Das Große Bibellexikon, Bd.3 (Wuppertal/Gießen 1989), S. 1401.
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e) Niederschreiben? Für wen?

Nach Jesu Himmelfahrt und der Ausgießung des Geistes war eine neue Situation eingetreten: Die Jünger begannen nun mit intensiver Missionstätigkeit, und die christliche Bewegung wuchs schnell. Zu den Bekehrten gehörten auch viele Menschen, die Jesus nie gesehen hatten. Diesen mußten nun die wichtigsten Worte Jesu vermittelt werden - eine weitere Situation, wo es darum ging, konkrete Inhalte zuverlässig weiterzugeben. Noch größer wurde dieses Bedürfnis nach verläßlicher (möglichst schriftlicher) Information, sobald sich das Urchristentum über Jerusalem hinaus ausbreitete und auch an anderen Orten Gemeinden entstanden. Diese Gemeinden hatten nur gelegentlich Augenzeugen in ihrer Mitte, die ihnen immer wieder Worte und Taten Jesu in Erinnerung rufen konnten; sie waren deshalb in besonderer Weise auf schriftliche Autfzeichnungen angewiesen, um sie sich selbst einprägen und Neubekehrten übermitteln zu können.
Wenn wir von den Angaben der Apostelgeschichte ausgehen: Bei der Pfingstpredigt des Petrus bekehrten sich 3000 (2,41); etwas später war die Zahl der Männer bereits auf 5000 gestiegen (4,4); zwei Jahrzehnte später war die Missionstätigkeit des Paulus in Kleinasien so erfolgreich, daß Silberschmiede in Ephesus einen Rückgang des Artemis-Kultes (und damit eine Beeinträchtigung ihres Geschäftes) befürchteten (19,26) .
Die Situation, daß Christen keinen persönlichen Kontakt mit Augenzeugen hatten, trat also schon sehr bald ein. Mehrere Monate (oder höchstens Jahre) nach Jesu Weggang bestand also bereits ein großes Bedürfnis nach - am besten schriftlich festgehaltenen - Informationen über Jesu Taten und Worte. Das muß man sich vor Augen halten, selbst wenn man der Annahme zustimmt, daß es bis zur Endredaktion der Evangelien dann noch Jahrzehnte gedauert hat.
Der Passionsbericht (bei den Synoptikern die letzten 3 Kapi-
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tel) dürfte der am frühesten fixierte Teil der Evangelien sein. Für diesen Teil gab es auch bald ein "Bedürfnis": die Urgemeinde bestand durchweg aus Judenchristen, und diese hielten wohl jährlich die Passafeier. Wenn dann - gemäß dem Brauch - der älteste Junge den Hausvater nach dem Grund dieser Feier fragte (2. Mo 12,26f; 13,14), sollte man sich dann bloß mit der alten Geschichte vom Auszug Israels aus Ägypten begnügen oder nicht doch vielmehr auch auf die Erfüllung dieser Feier im Leben und Sterben Jesu verweisen?
Das Bedürfnis nach schriftlicher Aufzeichnung entstand also nicht erst beim Hinsterben der letzten Augenzeugen, also nicht erst ab den 60er Jahren. Deren Hinscheiden wird gelegentlich als Begründung angegeben, warum es um diese Zeit (und nicht schon früher) zur Niederschrift der Evangelien kam. Eine andere Begründung verweist auf die anfangs herrschende Naherwartung; angesichts dieser Erwartung schien eine schriftliche Niederlegung überflüssig zu sein. Auf diese Begründung werden wir noch in Kapitel 4a eingehen.
Es könnte sein, daß sich Spuren solcher frühen Aufzeichnungen noch in den "Synoptikern" (Matthäus, Markus, Lukas) finden (synopsis = Zusammenschau). Diese Synoptiker sind aus vielen kleineren Abschnitten, "Perikopen" genannt, zusammengesetzt. Im Markusevangelium läßt sich die nur oberflächliche Verbindung dieser Abschnitte zu einem Ganzen noch gut erkennen, und zwar daran, daß die Überleitung zum jeweils nächsten Abschnitt zumeist durch ein "und" (griechisch kaì) erfolgt. Jedenfalls weisen diese in sich abgeschlossenen Perikopen darauf hin, daß es bereits vor der schriftlichen Abfassung der Synoptiker (mündlich oder schriftlich) fixierte Tradition gab. Wahrscheinlich wurden Perikopen dieser Art benutzt, um Neubekehrten im Unterricht die wichtigsten Ereignisse des Wirkens Jesu zu vermitteln.
Aus all dem ergibt sich, daß der Zeitraum, währenddessen das Gedächtnis die Hauptlast der Informationsweitergabe zu tragen hatte, bevor es durch schriftliche Aufzeichnungen abgelöst
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wurde, nicht auf mehrere Jahrzehnte zu veranschlagen ist, sondern nur einige Monate oder Jahre umfaßt hat. Aber auch in einem solchen Zeitraum kann bereits viel an Veränderung geschehen, bzw. an Verwirrung entstehen - wenn die Worte Jesu im Zuge der mündlichen Weitergabe umgeformt werden, so daß schließlich viele Worte Jesu in verschiedensten Abwandlungen verbreitet sind. Eine entscheidende Frage ist daher: Wie leistungsfähig war das Gedächtnis zu jener Zeit?
Literatur dazu: Riesner 42f.62.66 (Wachstum).494f.
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Mit freundlicher Genehmigung des Herrn Franz Graf-Stuhlhofer.
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