Fritz Philippi:
Heidekraut
Menschenlebens höchste Blüte,
Liebe, wem vergleich' ich dich?
Welche unter allen Blumen
ist dein Ebenbildnis, sprich?
Draußen in dem üpp'gen Garten
mit der bunten Blütenlast
unter Rosen und Levkojen
fand ich nicht, was zu dir passt.
Menschenleben ist kein Garten,
den ein Schutzgeheg umspannt;
Menschensein ist Kampfesboden,
sturmbeherrschtes, blaches Land.
Käm' dorthin die stolze Rose,
bräche sie am Tag der Not;
eines Sturmes rau Gebärden
wär für sie gewisser Tod!
Blatt um Blättlein würd zerblättert;
tauglich nicht zur Gegenwehr,
läg' am Boden bald zerbrochen,
was im Garten prangte hehr.
Liebe muß fürs Leben taugen;
vor des Wetters harter Faust
darf sie weichlich nicht zerblättern,
sie muß leben, auch zerzaust!
Als zur Heide ich gekommen,
hab dein Gleichnis ich geschaut:
Menschenlebens höchste Blüte
gleichen soll dem Heidekraut!
Fest den Boden, dem's entsprossen,
hält's umklammert tausendfach,
und die arme Heideerde
schmückt es als ein Brautgemach.
Der Gesundheit frische Röte
bleichet nicht im Wettergraus.
Für die Stürme ist's erschaffen,
und im Sturme dauerts aus!
Und mit tausend Glöcklein läutets
Stets sein Liebesliedlein traut,
bis des Winters Bahrtuch decket
Heideland und Heidekraut.
Herbstliche Heide.
Grau und düster liegt die Heide
Wie ein schweigsam Totenbild.
Starren Auges zu dem Wandrer
Spricht sie: Stör' nicht mein Gefild!
Rings mit seinen Felsenleibern
Manch Gestein den Boden deckt,
Gleich erschlagenen Titanen
Auf der Wahlstatt hingestreckt.
Lautlos kriecht des Nebels Schwaden
Überm Heidekraut heran,
Wie ein unheilbrütend Schicksal
Schleichend aus dem dunklen Tann.
Kehre rasch, verwegner Wandrer,
Deinen Schritt zum Tal hinab!
Denn die Heide wills nicht leiden,
Daß man stört ihr stilles Grab.
Halloh!
Da sitze daheim, wer sitzen mag!
Mich treibt es, hinaus zu laufen!
Hinaus! Dort will ich auf Heide und Hag
Und will mit dem Sturmwind raufen!
Halloh, du Bursch! - Hei, wie dems gefällt,
Sich so, wie er ist, zu bewegen;
Und wenn die ganze gebildete Welt
Entsetzt aufkreischte dagegen!
Hier will ich mitringen Brust an Brust.
Hinaus, hindurch und nach oben!
Ich hab' eine himmelschreiende Lust,
Mich auch einmal auszutoben.
Und steh ich dann oben, dann schwenk ich den Hut
Armweit in sausendem Kreise.
Das tat für Herz und Knochen gut -
Kehrt marsch dann vernünftig und weise.
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von Kornelia Pelz übersetzt
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