1934
2. Dezember: 2.Heimatabend. Zur Erinnerung an den vor 20 Jahren aufgebrochenen Weltkrieg hielten wir eine Gedenkfeier im kirchlichen Vereinshaus. Lehrer i.R. Kegel las die Ausführungen dieser Chronik über den Krieg vor. Der Männerchor unter Leitung des Herrn Weier verschönte die Feier durch die Lieder: "Es jagen die Rosse" und "Morgenrot". Schüler trugen Gedichte vor. Zum Schlusse eine kleine Saarkundgebung. Es kamen u.a. folgende Ausführungen des Chronisten zum Verlesen: "Nie habe ich daran gezweifelt, daß die bevorstehende Abstimmung zu unseren Gunsten ausfallen wird, weil das Recht auf unserer Seite steht, und weil die Bande des Blutes stärker sind als alle glänzenden Verlockungen. Das Saarvolk ist deutsch! Unbewußt folgt es der Mahnung Schillers: "Ans Vaterland, ans teure, schließ dich an, das halte fest mit deinem ganzen Herzen; hier sind die starken Wurzeln deiner Kraft. Dort in der Welt stehst du allein, ein schwankend Rohr, das jeder Sturm zerknickt." Ein Frl. von der Saar ließ sich bei uns verlauten: "Ihr könnt ohne Sorge sein, das Saarvolk steht fest!" Treue um Treue! Auch wir wollen treu zu ihm stehen. "Wir wollen sein ein einzig Volk von Brüdern pp. .... Auch in unserer Gemeinde weilen 2 Saarmädchen, vielleicht sind sie heute Abend in eurer Mitte; dann mögen sie nach ihrer Heimkehr erzählen, daß auch wir in einer vergessenen Ecke des Westerwaldes an einem Heimatabend in Treue ihrer gerechten Sache gedacht haben. - Vorgestern morgen reisten die Erdbacher Saarkinder wieder ab. War das ein zuversichtliches Abschiednehmen an der Bahn! Unter freudigem Winken riefen sie: "Auf Wiedersehn, auf Wiedersehn!" Und während der Zug sie der Heimat entgegenführte, sangen sie: "Deutsch ist die Saar, deutsch immerdar!" - Dies Lied beschloß dann auch unseren Heimatabend. *)
Am 12. Dezember sichteten die hiesigen Fuhrleute Arnold und Zeiler links vom "Kohlerweg" nahe am Wege nach Langenaubach einen Hirsch mit einem stattlichen Geweih. In einer Entfernung von etwa 10 m blieb er ruhig stehen, die Fuhrleute erstaunt betrachtend. Erst auf eine Bewegung mit der Peitsche sprang er ein Stückchen fort, blieb wieder mal stehen und suchte dann erst das Weite. Gewiß ein Fremdling auf unsern Höhen! Wahrscheinlich ist er aus der Gegend von Offdilln, wo in neuerer Zeit Hirsch angesiedelt worden sind, herüber gewechselt.
Das Jahr geht seinem Ende entgegen, und wir haben weder Frost noch Schnee gehabt seit dem 3. November. Eine ganz außergewöhnliche Witterung! Diesmal hat sich die alte Bauernregel bewährt, daß nämlich kein rechter Winter mehr zu erwarten ist, wenn er schon frühe streng einsetzt. Am 1. und 2. November Eis und Schnee! "Etz hot dr Wenter verjongt!" sagte Alteschulmeisters Oswald. Verjungen nennt man das Verkalben, die Fehlgeburt beim Vieh. Danach ist nichts mehr zu erwarten. (bis 5. Januar mildes Wetter. Im April 1935 holte es der Winter nach! Und wie!! Und im Mai!)
Zum Kirchenstreit. Frühjahr 1935. Der Streit dauert an und richtet viel Unheil in den Gemütern an. Sachlich zu ihm Stellung zu nehmen und zu sagen, wie Recht und Unrecht im Verfahren hier verteilt sind, vermag ich nicht. Nach Breitscheid kommen die "Rundbriefe" der Bekenntnisfront. Wer sie liest, mißt der Gegenseite alle Schuld zu. Mir selbst ging es zeitweise so. Falsch war sicher oft die Art und Weise, wie von der Reichskirchenregierung aus verfahren wurde. Aber wir müssen uns bewußt sein, daß wir auf unsern abgelegenen Dörfern einseitig unterrichtet werden und fortwährend der Suggestiven (Beeinflussung) von allem, was uns umgibt, unterliegen. Das wurde mir wieder klar, als ich den "Offenen Brief" des Universitätsprofessors D. Pfennigsdorf in Bonn an den Präses D. Koch von der Bekenntnisfront las. Prof. Pfen- (Fortsetzung folg. Seite!)
*) 16.1.1935. Große Anteilnahme der gesamten Welt an der Abstimmung am 13. Januar. Am Morgen des 15. Januar Bekanntgabe des Ergebnisses: Über 90 Prozent für den bschl. An den Radios saßen die Stuben voll. Die Schulkinder bekamen frei. Mittags von 12-1 Glockenläuten wie auch schon am Tage vorher ab 6 Uhr abends. Abends ab 8 Uhr Feierstunde am Rundfunk; danach bei uns Fackelzug durchs Dorf mit dem Ziel: Kriegerdenkmal. Dort kleine Feier, wobei der Ortsstützpunktleiter Bechtum eine Ansprache hielt.
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von Kornelia Pelz übersetzt
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