1933
Weihnachten schloß sich an den 4. Adventssonntag an; dies ist immer die beste Lage der Weihnachtsfeiertage. Die Menschen kommen nicht so überarbeitet in den heiligen Abend. Es waren schöne Weihnachten, nicht nur in Hinsicht auf das gute Wetter. Es war diesmal ein harmonischeres Fest als in den vergangenen Jahren. Die politischen Leidenschaften waren gedämpft, ja ausgeschaltet und die Weihnachtsfreude war ausgeglichener als sonst. Durch die Winterhilfe waren die Gegensätze - reich und arm - gemildert. Hitler hatte sich mit ihr an das Gute in den Menschen gewendet und war nicht enttäuscht worden. Die Armen werden seiner in Liebe und Dankbarkeit gedenken. Auch das Weihnachtsglück der Spender ist erhöht worden; sie wissen jetzt: niemand friert und hungert in Deutschland, und sie erfahren, daß sie ein Glied in der Volksgemeinschaft sind und daß sie nicht wahrhaft glücklich sein können, wenn andere Glieder dieser Gemeinschaft Not leiden. Keiner lebt das wahre Leben, der nur für sich selbst lebt. Im einzelnen sei noch folgendes verzeichnet. Es ist am 1. Weihnachtstage (morgens) stiller auf der Straße als in unserer Jugendzeit. Wie buntbelebt war damals das Straßenbild vom Wandern und Lärmen der glückseligen Jugend, als noch alle getauft wurden und sich nun bei den Paten und Goten (richtiger wohl: Gotteln) ihr "Christkindchen" holten! Wir waren rein trunken an diesem Tage, wenn auch die Geschenke magerer waren als heute. Und der heilige Abend wurde in unserer Jugend auch nicht gefeiert, höchstens daß die Mutter ihre Putzarbeiten mal unterbrach und den Kindern in der Dämmerstunde (die "Lichterstunde) geheißen) als vermummtes Christkindchen ein paar Äpfel u. Nüsse durch den Türspalt in die Stube warf. Aber in der Nacht kam dann das Christkindchen und legte die Gaben in die Schüsseln oder Körbchen: Äpfel, Nüsse, gebackene Hasen ("Huihoose" genannt) und, wenn's hoch kam, noch einige Kleinigkeiten. Nie vergesse ich die große Freude, die ich über das "Pistolchen" empfand, das mir einmal mein guter Stiefvater gekauft hatte (50 Pfennig!) nebst einigen Schächtelchen Zündhütchen. Ein solches Schächtelchen kostete 2 Pfennig, aber wie hielten wir Haus damit, daß alles bis Neujahr reichte! Später sah ich, wie die reichen Kinder in der Großstadt beschert wurde. Alles in Hülle und Fülle! Aber ihre Freude war darum nicht größer als die unsrige; ja, im Gegenteil, diese Kinder waren übersättigt von dem Allzu vielen, sie waren früh verbrauchte Pflänzchen und darum gar nicht so genussfähig wie wir Bauernkinder. So geht eine ausgleichende Gerechtigkeit durch alles Geschehen. - Am 1. Weihnachtstage feierte die Sonntagsschule in der Kirche (um 6 Uhr) und diejenige der Freien Gemeinde in ihrem Vereinshaus.
(Fortsetzung von voriger Seite) nicht am fremden Joch mit den Ungläubigen. Denn was hat die Gerechtigkeit zu schaffen mit der Ungerechtigkeit? ... Darum gehet uns von ihnen und sondert euch ab.") verlangen sie "die Trennung der Gläubigen von den Ungläubigen". Sie bitten, ihren Austritt aus der Volkskirche als einen Akt des Gewissens anzusehen und erklären ferner, daß sie die (gläubigen) Brüder in der reformierten Kirche von Herzen lieb haben und aufs innigste mit denselben verbunden sind. "Es geschehe, damit die Welt an der brüderlichen Liebe unter einander erkennen, daß wir in Christo wahre Jünger sind." "Mit dem Gruße aufrichtiger Ehrerbietung
Die Unterzeichneten H. G . Grafe" (u.s.w.) (Heinrich Hermann Grafe)
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von Kornelia Pelz übersetzt
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