1933
Anfangs September starb in Waldaubach Johannes Peter Scheld, der älteste Mann des Dillkreises, der seit Juni im 100. Lebensjahre stand. 13 Monate zuvor hatte der Chronist die hohe Freude, den alten Mann in seinem Hause besuchen zu können. Dieser erzählte ihm u.a. noch in lebendiger Weise aus dem Freiheitsjahr 1848, und zwar von einer Versammlung von Arbeitern in Münchhausen (dem Geburtsort Schelds). Ein Zimmermann von Obershausen habe eine aufwiegelnde Rede gehalten, am Schuß derselben, habe er gerufen: .....
Dieser Satz sei für die Eingeweihten das Zeichen zum Losschlagen gewesen (an sich ein harmloser Satz), und so habe die Versammlung mit einer wüsten Schlägerei geendet.
Wunderbares Erntewetter! Das Grummet wurde fast in einer Woche gemacht und so reichlich, wie es die ältesten Leute noch nicht erlebt haben. - Das Dreschen schon um Mitte September beendet! Ja, wie wars in unseren Jugendtagen?! - Da nahm es die ganze Familie von November an bis zu Weihnachten in Anspruch. Nach Weihnachten dann das Spinnen und Weben.
9. September. Im kirchlichen Vereinshaus Tonfilm-Vorführung: Die Feiern in Potsdam am 21. III. Voll besetzt, meist Jugend. Es war der erste Tonfilm in Breitscheid.
17. September. Durchmarsch des Strumbanns der S.A., durchs Dorf mit Musik. Sie kommen vom Pfarrhaus her und ziehen den Erdbacher Weg hinab zur Schule. Der Eindruck ist ein guter. Der neue Geist der Sauberkeit und Zucht ist in wachsendem Maße zu erkennen. Die braue Farbe beherrscht das Straßenbild. - Fast jeden Sonntag ist etwas los in der S.A. (Geländeübungen etc.). Etwa alle 14 Tage geht es geschlossen zur Kirche.
18. September. Streifzug ("Razzia") der S.A. Leute auf Bettler. An den Ausgängen der Straßen stehen zwei Mann und halten die Bettler an. Die Bettelei hatte wieder überhand genommen. Viele waren unter den Bettlern, die in ihrer Heimat Wohlfahrtsunterstützung bezogen. Eine Sorte der Bettler soll in Heimen, Anstalten etc. untergebracht werden, insbesondere schwerer gelagerte Fälle, die die eigentlichen Landstreicher, Berufsbettler betreffen, für die Übrigen soll die in Aussicht genommene "Winterhilfe" sorgen. Sie sollen erfahren, daß sie einer Volksgemeinschaft angehören, wo einer sich für den anderen mitverantwortlich fühlt und für ihn auch Opfer zu bringen weiß.
- An der zunehmenden Bettelei in den letzten Jahren war die fortschreitende Not unseres Volkes zu erkennen. Bedürftige aller Schattierungen zeigten sich, sogar Künstler, Sänger und Geiger, die verschämt in den Häusern ihre Kunst darboten. Daneben auch ganz freche, unbescheidene und faule Burschen, denen eine Wohltat erwiesen worden wäre, wenn ihnen niemand etwas gegeben hätte. Es gab Bedürftige, die notgedrungen bettelten, aber auch solche, die zuhause Unterstützung erhielten, aber die Zeitlage ausnutzten, auch wohl aus bloßer Lust am abenteuerreichen Wandern sich auf den Weg machten und Klinke für Klinke putzten. So wusste der Geber nicht, wie er sich verhalten sollte, wo seine Gabe angebracht war und wo nicht.
1. Oktober Erntedankfest, "Tag des deutschen Bauern". Beim Morgengottesdienst, der stark besucht war, Auslegen der besten Früchte auf dem Altar. 2 Uhr nachmittags Beginn der gemeinsamen Feier. Am Festzug beteiligten sich, wie am 1. Mai, die Volksgruppen der Vereine nebst den Schulkindern, welche Kränze (die Mädchen) im Haar trugen. Zuerst die Bauern mit einigen Wagen, unter denen der geschmückte und mit Früchten beladene Erntewagen besonders zu nennen ist, eine Bauerngruppe in Arbeitskleidern mit Geräten etc. Der Posaunenchor wirkte mit. An der Schule dann eine Feier bis zur Rede Hitlers, die vom Bückeberg übertragen wurde. Bei unserer Feier hielt Bürgermeister Bechtum als Ortsbauernführer eine Ansprache. Gedichte, Chöre der Schulkinder.
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von Kornelia Pelz übersetzt
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