Die Heimat im Weltkrieg (1914-1918).
Vorbemerkungen. Das Ungeheuerliche, das dieser Krieg für die Welt gebracht hat, rechtfertigt es wohl, wenn ihm auch in diesem Buche ein größerer Raum gewährt wird. Das Folgende ist in der Hauptsache eine Abschrift aus meinem Heimatbuche; es wurde im letzten Kriegsjahre aufgesetzt. Es will nur ein kleines Bild geben vom Wiederspiegeln der großen Ereignisse in unserer Heimat und kann keinen Anspruch auf Vollständigkeit machen, wird auch nicht immer das Wesentliche vom Geschehen im Dorf treffen, weil der Verfasser besonderer persönlicher Verhältnisse halber nicht inmitten des pulsenden Lebens stand und nur Weniges zu ihm gedrungen ist. Das der Bericht noch im Kriege und in der sich daran anschließenden Revolutionszeit geschrieben wurde, läßt ihn mir heute wertvoll erscheinen, so daß ich ihn nicht viel ändern möchte. Denn das unter dem unmittelbaren Eindruck des Geschehens Geschriebene ist durch einen späteren besseren Bericht nicht zu ersetzen. In einem Nachtrag bringen wir vielleicht noch einige Ergänzungen. Hingewiesen sei hier auf den Bericht des Pfarrer Weyel in der Kirchenchronik, der sich besonders über die wirtschaftlichen Notverhältnisse ausläßt, worauf in meinen Auslassungen nicht eingegangen worden ist. In den Bauernhäusern hat sich die Not nicht besonders bemerkbar gemacht. So traf sie mich auch nicht so spürbar, daß es mich gedrängt hätte, darüber zu schreiben. So ist der Ausfall zu erklären.
Als die Kunde von dem Fürstenmord in Serajewo (28. Juni 1914) hierherdrang, da dachte wohl kaum jemand in Breitscheid daran, daß er solche Folgen haben könnte. Ich hatte gerade Besuch von einer Freundin aus Geestemünde (Nordham). Sie sagte bei der Nachricht: "Es ist gut, daß wir hier auf dem Westerwald sind; hier ist man sicher vor Bomben: Bald aber tauchten schon in den Zeitungen Befürchtungen über ernstere Verwicklungen auf, und gegen Ende Juli kam auch einige Unruhe über die Leute hier. Schließlich war der Krieg durch Rußlands Mobilmachung und die Bedrohung unserer Ostgrenze nicht mehr aufzuhalten. (So schien es wenigstens dem Kaiser und seiner Regierung. Andere Länder, wie England und Frankreich konnten abwarten, wir aber lagen in der Mitte, und Deutschland hielt es für geraten, den Bedrohern an den Hals zu springen, ehe es zu spät war. So mußte Deutschland die erste Kriegserklärung machen und kam dadurch draußen in der Welt in den Ruf, den Krieg angefangen zu haben. Heute (1932) weiß die Welt, soweit sie es wissen will, daß Rußlands Ausdehnungsdrang, Frankreichs Rachsucht und Englands Neid und Scheelsucht die wahren Ursachen des Krieges waren. Und wir Deutschen wissen noch dazu, daß wir unter dem persönlichen Regiment Wilhelm II. auch nicht immer weise regiert worden sind. Das Volk mußte aber nun ausfressen, was oben verfehlt worden war.)
Welch inhaltsschweres, furchtbares Wort: "Krieg!" Ich kann den Eindruck nie vergessen, den das kleine Wörtchen: "Mobil!" auf mich machte, als es der Polizeidiener Schmidt am Samstag, den 1. August, abends etwa um 6 Uhr, an unserm Hause im Vorbeigehen ausrief. Beim Rathaus fügte er noch hinzu: "Morrn is d'r irschde Mobilmachungsdog". Das Wort: "Mobilmachung!" vermag in einer Gemeinde eine ähnliche Wirkung auszuüben, wie diejenige, die ein Stoß an den Ameisenhaufen zur Folge hat. Eine große Erregung bemächtigt sich der Gemüter, am meisten derer, die es unmittelbar betrifft. An diesem 1. August brannte abends das elektrische Licht in Breitscheid zum erstenmal. Eine Freude über das helle Licht konnte aber
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von Kornelia Pelz übersetzt
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